Gerhard Richter - Vermalung (Braun) - image-1

Lot 631 D

Gerhard Richter - Vermalung (Braun)

Auktion 1111 - Übersicht Köln
02.06.2018, 14:00 - Zeitgenössische Kunst I
Schätzpreis: 40.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 44.640 € (inkl. Aufgeld)

Gerhard Richter

Vermalung (Braun)
1972

Öl auf Leinwand. 27 x 40 cm. Gerahmt. Rückseitig auf der Leinwand signiert und datiert 'Richter, 72' sowie mit der Werknummer '78'. Bild 78 einer 120-teiligen Arbeit. Edition Westfälischer Kunstverein, Münster.

Die 120 Leinwände wurden im Atelier zu einem Block von 270 x 480 cm gehängt, als Ganzes bemalt und dann einzeln im Westfälischen Kunstverein angeboten.

Die „Vermalungen“, ein Thema, das Richter über mehrere Jahre hinweg aufgreift und in verschiedenen Farbkonstellationen variiert, entstehen, ähnlich wie die 1971 für die 36. Biennale di Venezia entstandenen „Dschungelbilder“, aus dem Prozess und der Verflechtung unendlicher Pinselbahnen. In einem 1973 datierten Brief an den Kunsthistoriker Jean-Christophe Ammann schildert Gerhard Richter diesen Prozess wie folgt: „Der Pinsel zieht den gegebenen Weg von Farbfleck zu Farbfleck, erst vermittelnd, dann mehr oder weniger zerstörend, vermischend, bis es keine unberührte Stelle mehr gibt, alles fast ein Brei, gleichrangige Verflechtungen von Form, Raum und Farbe. Bilder, die sich ergeben, aus dem Machen entstehen, keine Kreation, nicht kreativ, im Sinne dieses verlogenen Wortes (ich erwähne das, weil ich das Wort verabscheue) - sicher aber kreatürlich. Um die Faszination, die die dschungelartigen Formverflechtungen auf mich ausüben, zu illustrieren: Als Kind schmierte ich mit dem Finger auf dem leergegessenen, leicht fettigen Abendbrotteller Schleifen, Kurven, die sich immer wieder überschneiden und phantastische räumliche Gebilde ergeben, die sich je nach Beleuchtung verändern, die man endlos weiterformen kann. Das finde ich reizvoller als die feste Form, als das gesetzte Zeichen, wechseln und fließen lassen, relativieren, das hat schon was mit Informel zu tun, was mir sehr paßt, weil es das Gegenteil von Tod ist.“ (Gerhard Richter in: Hans-Ulrich Obrist (Hg.), Gerhard Richter, Text, Schriften und Interviews, Frankfurt a. Main u.a. 1993, S.74).
Gerhard Richter ist ein Meister in der Vermeidung malerischer Konventionen. In „Vermalung (Braun)“ bilden der pastose Farbauftrag und die deutlich sichtbaren Pinselspuren ein Geflecht aus dynamischen Bewegungen in unendlichen, kurvigen Bahnen, die sich in jedem Einzelwerk fortsetzen. Indem er diesen subjektiv bildnerischen Ausdruck als Edition vervielfältigt stellt Richter gekonnt kritisch die Einmaligkeit einer gestischen Malerei in Frage. Ebenso wird eine großflächig angelegte, vermeintlich geplante und ausgeglichene abstrakte Komposition in ihre Einzelteile zerlegt, die durch die spezifische Erscheinungsform des jeweiligen Ausschnitts erneut einen Unikatcharakter annehmen. Stilistisch vermeidet Richter jede Hierarchisierung von Farbe und Fläche. Mit seinen „Vermalungen“ erprobt und analysiert Richter eine abstrakte gestische Malerei, die in naher Verwandtschaft zu zeitgenössischen Strömungen des Informel und der Konzeptkunst zu sehen ist.

Werkverzeichnis

Butin 46; Elger 325-78

Provenienz

Sammlung Dieter Ronte, Bonn; Privatsammlung, Hessen