Heinrich Campendonk - Sitzender Mann in Landschaft (Auferstehung) - image-1

Lot 639a Dα

Heinrich Campendonk - Sitzender Mann in Landschaft (Auferstehung)

Auktion 882 - Übersicht Köln
03.12.2005, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 47.600 € (inkl. Aufgeld)

Heinrich Campendonk

Sitzender Mann in Landschaft (Auferstehung)
Um 1928

Hinterglasbild 70 x 54,5 cm,

"Sitzender Mann in Landschaft" entstand in einer Zeit, in der Heinrich Campendonk sich intensiver mit der Technik der Hinterglasmalerei beschäftigte. Bekanntschaft mit ihrer Technik machte er schon früh im Freundeskreis von Franz Marc, auf dessen Einladung hin er 1911 nach Sindelsdorf in die Nähe des gemeinsamen Künstlerfreundes Jean-Bloé Niestlé in Oberbayern übergesiedelt war. Hier lernte er nicht nur die Bilderwelt der volkstümlichen bayerischen Hinterglasmalerei kennen, die alle Künstler damals, allen voran Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, nicht nur sammelten, sondern sich von ihnen auch anregen ließen, selbst solche Dinge zu versuchen; so haben neben Münter und Kandinsky auch Franz Marc und August Macke kleine Hinterglasbilder hergestellt. War das bei ihnen aber nur eine temporäre Beschäftigung, so studierte Heinrich Campendonk diese Technik genauer; Frucht dieser Bemühung ist eine Vielzahl von Hinterglasbildern, die als Vorstufe zu der ab 1930 einsetzenden Herstellung von Glasmalereien führte, die meist bei der Firma Derix, Kevelaer in Auftrag gegeben wurden und die Mathias T. Engels in Krefeld 1966 in einem eigenen Werkverzeichnis publizierte.
Da die lineare Struktur der Holzschnitte Campendonks fast als Vorläufer der Bleistege seiner Glasbilder gelten kann, überrascht es nicht, wenn der Künstler mit "Sitzender Mann in Landschaft" das Thema eines Holzschnitts von 1921 wieder aufnimmt, in dem er Jean-Bloé Niestlé (1884-1942) porträtierte (vgl. Engels bzw. Söhn Nr. 54 mit Abb.). Auch diesen Holzschnitt mit dem Bildnis des Freundes gibt es in von Campendonk eigenhändig aquarellierten Abzügen.
In der Ausführung als Hinterglasgemälde vergrößerte er nun nicht nur das Motiv, sondern erweiterte es nach allen Seiten: Die Darstellung hat jetzt einen betonten Vordergrund; links des pavillonartigen Turms steht, ihn hoch überragend, ein Baum mit einer einzelnen Blüte, unter dem auf einer eingezäunten Weide ein Pferd sichernd den Kopf erhebt; dem weiblichen Akt rechts hinter dem am Boden sitzenden Künstlerfreund, golden gefaßt, antwortet ein kleinerer, entfernt hinter einer Mauer stehender weiblicher Akt, der silbern glänzt. Den größten Unterschied zum Holzschnitt zeigt aber der Himmel: An ihm vollzieht sich offensichtlich gerade eine Sonnenfinsternis, während der Baum links, mit nervös gezacktem Umriß umspielt, so wirkt, als wäre gerade ein Blitz in ihn gefahren. Dennoch entspricht das dargestellte Geschehen der entrückten Weltenferne des am Boden sitzendes Künstlers, der, als Träumer bekannt, von den Dingen um sich herum nur selten Notiz nahm und voll unerschütterlichen Vertrauens in und mit der Natur lebte. So ist dieses Bild zugleich Zeitdokument und Zeichen einer Künstlerfreundschaft.

Werkverzeichnis

Firmenich 947

Literaturhinweise

Paul Wember, Heinrich Campendonk, Krefeld 1960, Nr. 108 mit Abb. ("Auferstehung")

Ausstellung

Neuss 1952 (Clemens Sels-Museum), Heinrich Campendonk, Kat. Nr. 21 mit Abb.; Krefeld 1960 (Haus Lange), Heinrich Campendonk, Kat. Nr. 108 mit Abb.; München 1960 (Städt. Galerie im Lenbach-Haus), Heinrich Campendonk, Kat. Nr. 77; Dortmund 1960 (Museum am Ostwall), Heinrich Campendonk; Frankfurt 1960 (Frankfurter Kunstverein), Heinrich Campendonk