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Lot 215 Dα

Ernst Ludwig Kirchner - Zwei Bauern im Gespräch

Auktion 1121 - Übersicht Köln
30.11.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 40.000 € - 50.000 €
Ergebnis: 79.360 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Ludwig Kirchner

Zwei Bauern im Gespräch
Um 1920

Gouache, Tusche und Zimmermannsblei über Bleistift auf glattem weißen Halbkarton 50 x 38,2 cm Unter Glas gerahmt. Rückseitig unten rechts vom Künstler mit Bleistift beschriftet '16 Zwei Bauern i. Gespräch'. - Rückseitig in der unteren linken Ecke mit dem roten Stempel "NACHLASS E.L. KIRCHNER" (Lugt Suppl. 1570b), darin mit dem Eintrag in schwarzer Tinte "A Da/Bc 1". - In farbintensiver guter Erhaltung.

Kirchner gibt in dieser schönen, farbintensiven Gouache aus der frühen Davoser Zeit zwei „Bauern im Gespräch“, wie er es selbst beschreibt. Einander fast formatfüllend gegenüberstehend, gehören die Beiden kompositorisch zu den figuralen „Paarungen“, die recht häufig im Werk von Kirchner zu beobachten sind. Die Gestaltung kann sich so auf die Beziehung der zentralen Figuren konzentrieren, formal wie inhaltlich. Die Bauern, offensichtlich beide nicht in Arbeitskleidung, sondern in sehr feiner Aufmachung mit steifem hohen Hut und im Anzug, sind sehr unterschiedlich charakterisiert: die linke Figur im Profil scheint in der Gebärde bewegt zu sprechen, die rechte - mit einer langen Meerschaumpfeife - ist eher kontemplativ, sie hört zu. Gedankenverloren steigen über ihr die zirkularen blauen Rauchwölkchen nach oben. Die Umgebung ist nur sehr summarisch angedeutet, die beiden Männer stehen an einem Weg, vor einer Tür vielleicht, deren dunkler Ausschnitt sichtbar ist, im Hintergrund links die markanten Umrisse einer schwarzen Katze. Maltechnisch gesehen fällt nicht nur die starke Zeichnung mit dickem Stift auf, die die Figuren farbunabhängig skizzenhaft umspielt, sondern auch die vielen kleinen über die Fläche verteilten wässrigen Inseln mit ihren in Kauf genommenen Wasserrändern. Das vom Künstler gewählte Papier sog die flüssige Farbe nicht auf, der Grund stiess sie ab. Dieses Kombinieren und das Spiel mit den Zufälligkeiten des Mediums schaffen eine besondere Lebendigkeit. Und es gibt Zeugnis vom raschen Arbeiten, das Kirchners unruhigem Temperament entsprach.
Als Künstler selbst völlig aufgehend in seiner neuen ländlichen Umgebung, war Kirchner fasziniert von der ihn umgebenden Bergwelt, ihren Bräuchen und ihren stolzen Menschen. Der motivliche Kontext zu unserem Blatt mit den beiden Bauern im „Sonntagsstaat“ ergibt sich direkt, wenn man berücksichtigt, dass sich Kirchner in Davos schon früh mit malerischen Großentwürfen zu eben diesem Thema beschäftigte. Schon im Herbst 1921 erwähnte er in einem Brief an Nele van de Velde das Gemälde „Dimanche l'après-midi sur l'Alpe“ (Gordon 711, Verbleib unbekannt). Zwei weitere monumentale, panorama-artige Fassungen dieses Themas sollten vor 1925 noch folgen, der „Alpsonntag“ und der „Sonntag der Bergbauern“ (Gordon 734, 735). Vorformulierungen gab es auch in den zahlreichen Holzschnitten seit 1920, die Arbeit und Erholung der Menschen gleichermaßen thematisieren.


Vergleichsabbildung: Ernst Ludwig Kirchner, Alpsonntag. 1920. Original-Holzschnitt (Dube H 420 II)
Aus: Eberhard W. Kornfeld, Ernst Ludwig Kirchner, Bern 1979, S. 171

Zertifikat

Dieses Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv Wichtrach/Bern dokumentiert.

Provenienz

Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946); Privatsammlung Berlin; Stuttgarter Kunstkabinett, 16. Auktion, 1952, Kat. Nr. 1544 (o. Abb.); Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer, 33. Auktion Moderne Kunst, 29./30. Mai 1959, Kat. Nr. 389 mit Abb. Tafel 52; Galerie Grosshennig, Düsseldorf (1959); seitdem rheinische Privatsammlung, Familienbesitz

Literaturhinweise

Vgl. Eberhard W. Kornfeld, Die drei grossen Bauernbilder, in: ders., Ernst Ludwig Kirchner. Nachzeichnung seines Lebens, Bern 1979, S. 185 ff.