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Lot 233 Dα

Georg Schrimpf - Mädchen am Fenster

Auktion 1121 - Übersicht Köln
30.11.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 60.000 €

Georg Schrimpf

Mädchen am Fenster
1927

Aquarell über Bleistift auf chamoisfarbenem Velin mit Textilstruktur-Prägung 42,2 x 33 cm Unter Glas gerahmt. Unten rechts mit brauner Tinte signiert und datiert 'G. Schrimpf 27.' - Sehr farbfrisch erhalten.

Georg Schrimpf hat das Glück in seinem Leben Menschen wie Oskar Maria Graf, Herwarth Walden oder Franz Roh zu begegnen, deren Tun vehement für die Erneuerung der Moderne stehen. Nach seiner Bäckerlehre in Passau geht der junge Schrimpf auf die Walz und trifft Graf, ebenfalls Bäcker von Beruf. Enthusiastisch eingenommen von seinem jungen Weggefährten veröffentlicht dieser im Kunstblatt 1918: „Das kosmische Moment in Georg Schrimpfs Bildern ist das Neue. Seine Bilder sind Ausstrahlungen einer zutiefst aufjuchzenden, kosmischen Seele.“ (Oskar Maria Graf, Brief über Georg Schrimpf, in: Das Kunstblatt, 2. Jg., 1918, S.75).
Herwarth Walden, Herausgeber der Zeitschrift „Der Sturm“ und Betreiber der gleichnamigen Galerie in Berlin, stellt ab 1915 seine publizistischen wie galeristischen Möglichkeiten dem jungen Schrimpf zur Verfügung. Und auch der Künstler und Publizist Franz Roh schließlich beschreibt mit dem Begriff Nach-Expressionisten den neuen Malstil der 1920er Jahre, die Furore machende Neue Sachlichkeit: „Die neue Kunst will nun vor allem aber nicht mehr dynamisch, sondern statisch die Welt verstehen, eine entscheidende Umstellung, die weit über die bildende Kunst hinaus greifen dürfte.“ (Franz Roh, Georg Schrimpf. Seine kunstgeschichtliche Stellung, geschrieben 1924 für ein geplantes Buch über Georg Schrimpf, in: Georg Schrimpf und Maria Uhden, Leben und Werk, hrsg. von Wolfgang Storch, Berlin 1985, S. 142.). „Mädchen lesend“, „Mädchen auf dem Balkon“, „Mädchen am Fenster“ oder das mit dem Aquarell verwandte Gemälde „Ausschauende“ (siehe Vergleichsabbildung) sind Bilder voller Idealismus; sie zeigen eine Idee von Wirklichkeit, die der Künstler mit Akribie und detailgetreuer Genauigkeit beschreibt, in der seine Modelle agieren. Zeitgeschehen mag am Rande Einfluss nehmen, Reisen etwa nach Ascona oder Sizilien sich mit kleinen Details in den Aquarellen und Gemälden wiederfinden. Mitunter verblüfft erscheint wie hier, die Abwendung der jungen Frau von der dichten, hell gehaltenen, südlichen Landschaft mit dem rot bedachten Gehöft rechts und der einzelnen Zypresse links. Vor dem zarten Ausblick in eine weite Landschaft wächst das junge Modell trotz ihrer einfachen Erzählung zu einer heimlichen, introvertierten Monumentalität, die Franz Roh mit „magischer Realismus“ umschreibt.


Vergleichsabbildung: Georg Schrimpf, Ausschauende 1924, Öl/Leinwand 62 x 47,5 cm
Aus: Georg Schrimpf und Maria Uhden, Leben und Werk, hrsg. von Wolfgang Storch, Berlin 1985, S. 140

Zertifikat

Mit einer Foto-Expertise von Karl-Ludwig Hofmann, Heidelberg, vom 15. Juli 1991

Provenienz

Galerie Nierendorf, Berlin; Privatsammlung Niedersachsen

Literaturhinweise

Ausst. Kat. Galerie Nierendorf, Berlin, Herbst 1992, Kat. Nr. 239, Rücktitel mit ganzseitiger Farbabb.