Teller mit Ansicht des Heidelberger Schlosses - image-1

Lot 83 Dα

Teller mit Ansicht des Heidelberger Schlosses

Auktion 1125 - Übersicht Berlin
07.11.2018, 18:00 - The Twinight Collection I
Schätzpreis: 4.000 € - 6.000 €
Ergebnis: 7.500 € (inkl. Aufgeld)

Teller mit Ansicht des Heidelberger Schlosses

Porzellan, farbiger Aufglasurdekor, radierte Vergoldung. Modell 1084, antikglatt. Spiegelfüllende fein gemalte Vedute, unterseitig geschriftet "Der Rittersaal im Heidelberger Schloßgarten." Um die Fahne ein radiertes Band aus Schmetterlingen und Muscheln über einem Kranz aus Schilfblättern. Blaumarke Zepter, rote 98., Pressnummer 116, geritzt II, schwarzes Besitzermonogramm E.A.F.C. für Ernst August Fidei Commis. D 24,5 cm.
Berlin, KPM, um 1820.

"Das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert in Europa waren geprägt durch das wissenschaftliche Interesse, die Welt in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen zu erforschen und zu systematisieren. Opulente botanische Prachtbände, umfangreiche mineralogische Sammlungen, archäologische Ausgrabungen und Reiseschilderungen aus fernen Ländern zeugen noch heute von einem Streben nach enzyklopädischem Wissen sowie einem allgemein wachsenden Bildungsanspruch. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Vedutenmalerei auf Porzellan wider. Während im 18. Jahrhundert noch phantasievoll komponierte Landschaftsszenen als ornamentale Elemente die Porzellanflächen zieren, sind es nun präzise aufgenommene topographische Darstellungen, die als bildhafter Dekor das Porzellan dominieren. Eine besondere Ausprägung hat die Vedutenmalerei auf Porzellan im Motivspektrum der KPM erfahren, die diese Dekorform zu einem Charakteristikum des Berliner Porzellans ausbildete. Wesentlicher Förderer dieser Entwicklung war der preußische König Friedrich Wilhelm III., welcher der heimatlichen Vedute als Objekt der Erinnerung und patriotischen Empfindung besondere Wertschätzung entgegenbrachte und diesen Kunstzweig der Malerei durch regelmäßige Ankäufe unterstützte. Ansichten aus Berlin und Potsdam sowie dem preußischen Herrschaftsgebiet schmückten nicht nur die königlichen Schlösser und Palais, sondern wurden in Form von Vedutenporzellanen auch an befreundete Fürstenhäuser verschenkt, um mit Stolz auf die kulturelle Entwicklung des eigenen Landes zu verweisen, dessen Verschönerung und Pflege vor allem als herrschaftliche Aufgabe angesehen wurde. Nach dem Ende der Befreiungskriege zeugten die ebenso in bürgerlichen Kreisen geschätzten heimischen Stadt- und Landschaftsansichten zudem von dem gewachsenen Nationalbewusstsein Preußens. Die Vedutenmalerei wurde somit auch als patriotische Kunstform wahrgenommen.
Die drei Teller geben ein Beispiel für das Motivspektrum „preußischer“ Ansichten, wobei die auf dem Tellerspiegel kreisförmig angelegten Veduten stets mit einer aufwendig radierten Goldfahne als Rahmung versehen sind. Dargestellt ist eine Ansicht aus Potsdam, die das neben Schloss Sanssouci gelegene Gästeschloss, die „Neuen Kammern“, zeigt: Ein Bauwerk aus dem späten Rokoko, vor dem sich eine im englischen Landschaftsgartenstil gestaltete Gartenpartie ausbreitet. Die Neuanlage dieses Gartenbereichs um 1820 dürfte zugleich der Auftragsgrund für diese Ansicht gewesen sein, die so eine aktuelle topographische Gegebenheit im Porzellanbild festhält.
Der sich durch seine phantasievoll gestaltete Bordüre „mit gravirten Schmetterlingen und Muscheln“ auszeichnende Vedutenteller, mit einer Darstellung des Heidelberger Schlosses gibt eine schon damals bekannte touristische Sehenswürdigkeit wieder. Die im Zeitalter der Romantik zum malerischen Bildgegenstand erhobene Ruine des Heidelberger Schlosses gehörte zwar nicht zum Herrschaftsbereich Preußens, galt aber seit der napoleonischen Unterdrückung als patriotisches Symbol.
Neben der Wiedergabe von Architekturmotiven gehörten Landschaftsdarstellungen zu den beliebten Themen der Vedutenmalerei. Die parkartige Hügellandschaft des Hirschberger Tals in Schlesien mit ihrer reizvollen Gebirgsszenerie stellt das Vedutenmotiv des dritten Tellers, dar. Es zeigt im Hintergrund den hochaufragenden Gipfel der Schneekoppe, dem berühmtesten Berg des Riesengebirges und damals zugleich die höchste Bergspitze Preußens. Schlesien galt als beliebtes Reiseziel der preußischen Königsfamilie, die im Hirschberger Tal mehrere Landgüter als herrschaftliche Sommerresidenzen erwarb.
Wie die Beispiele zeigen, war die Auswahl der Ansichtenmotive auf den königlichen Porzellanbestellungen oft mit einem konkreten Informationswert verbunden, der mit dem Bildgegenstand eine sachliche oder gefühlsmäßige Aussage zum Ausdruck brachte. Die Vedute übernahm so die Funktion einer „bildlichen“ Botschaft, die an den Empfänger der Porzellanstückes gerichtet war."
Für die Genehmigung des Abdrucks aus dem Katalog Raffinesse & Eleganz danken wir herzlich Herrn Dr. Samuel Wittwer.

Provenienz

Sotheby´s Royal House of Hanover Sale am 9. Oktober 2005, Lot 2329.

Literaturhinweise

Wittwer (Hg), Raffinesse & Eleganz, München 2007, Nr. 99.

Ausstellung

Raffinesse & Eleganz - Königliche Porzellane des frühen 19. Jahrhunderts aus einer amerikanischen Privatsammlung, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Schloss Charlottenburg, 28. Juli bis 4. November 2007
Die Sammlung Cohen. Porzellane der grossen Manufakturen 1800 - 1840. Wien, Liechtenstein Museum, 16. November 2007 bis 11. Februar 2008
Refinement & Elegance - Early 19th-Century Royal Porcelain from an American private collection, New York, The Metropolitan Museum of Art, 9. September 2008 bis 19. April 2009