Marten van Cleve - Werke der Barmherzigkeit - image-1

Lot 1215 Dα

Marten van Cleve - Werke der Barmherzigkeit

Auktion 1132 - Übersicht Köln
18.05.2019, 11:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 60.000 €

Marten van Cleve

Werke der Barmherzigkeit

Öl auf Holz (parkettiert). 75,5 x 108 cm.

Die christliche Tradition kennt jeweils sieben leibliche und sieben geistige Werke der Barmherzigkeit, die von ihren Ursprüngen an als Hilfe gegen existentielle und situationsbedingte Nöte verstanden worden sind. Im Alten Testament finden sich an vielen Stellen Beispiele für barmherzige Werke. Die wichtigste neutestamentliche Aussage steht im Matthäus-Evangelium (Kapitel 25, Verse 34-46). Hier wird hervorgehoben, dass die Gerechten gute Werke vollbringen, ohne an den Lohn zu denken. Der Kirchenvater Augustinus (354-430), auf den die "klassischen" geistigen Werke der Barmherzigkeit zurückgehen, unterstrich unter Berufung auf Matthäus, dass sowohl die leiblichen als auch die geistigen Werke je nach der Not des Nächsten variiert werden müssen.

Zu den klassischen leiblichen Werken der Barmherzigkeit zählt Hungrige zu speisen, Durstige zu tränken, Nackte zu bekleiden, Fremde aufzunehmen, Kranke zu besuchen, Gefangene zu befreien sowie Tote zu bestatten. Die klassischen geistigen Werke der Barmherzigkeit umfasst Unwissende zu lehren, Zweifelnden zu raten, Irrende zurechtzuweisen, Trauernde zu trösten, Unrecht zu ertragen, Beleidigungen zu verzeihen und für Lebende und Tote zu beten.

Vier Werke der Barmherzigkeit hat Marten van Cleve in diese großformatige Landschaftsdarstellung integriert. Den Mittelpunkt unserer Darstellung stellt das Bekleiden der Nackten dar. Von der rechten Seite erreichen fremde Reisende die Szenerie, welche darauf warten, von der einheimischen Bevölkerung aufgenommen zu werden. Auf dem Hügel wird eine Verstorbene für ihre Bestattung vorbereitet, ihr Inkarnat ist blass, ihre Augen sind geschlossen. Auch das Trösten der Trauernden findet Platz in unserem Werk: Auf der rechten Seite des Hügels umarmen sich die noch unbekleideten Männer, Frauen und Kinder und spenden sich gegenseitig Trost. Am Fuß des Berges sitzt ein verzweifelter Schäfer, den Kopf in die Handfläche gelegt.

Mit sicherem Gespür für die Dramaturgie der Szene verteilt Marten van Cleve die Menschengruppen über das Bildfeld und gibt, mit einer genau austarierten Ordnung, eine scheinbare Unordnung vor, zugleich setzt er mit einem kräftigen Rot leuchtende Farbakzente. Marten van Cleve gehörte der gleichen Künstlergeneration an wie das Malergenie Pieter van Brueghel d. Ä., die Antwerpen im 16. Jahrhundert zu einem der führenden Kunstzentren ihrer Zeit machte.

Zertifikat

Dr. Klaus Ertz, Lingen, April 2019.