Moyses van Uyttenbroeck (Wtenbrouck) - Bewaldete Landschaft mit Salmakis und Hermaphroditos - image-1

Lot 1230 Dα

Moyses van Uyttenbroeck (Wtenbrouck) - Bewaldete Landschaft mit Salmakis und Hermaphroditos

Auktion 1132 - Übersicht Köln
18.05.2019, 11:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 80.000 € - 100.000 €
Ergebnis: 372.000 € (inkl. Aufgeld)

Moyses van Uyttenbroeck (Wtenbrouck)

Bewaldete Landschaft mit Salmakis und Hermaphroditos

Öl auf Holz. 47,7 x 69 cm.
Monogrammiert und datiert unten rechts: M WB 162(7).

Die „Waldlandschaft mit Salmakis und Hermaphroditos“, lange Zeit im Bestand des Mauritshuis in Den Haag, ist ein Hauptwerk Moyses van Uyttenbroecks. Seine Bedeutung ergibt sich gleichermaßen aus der einzigartigen Landschaftskomposition wie dem außergewöhnlichen Thema dieses Gemäldes, der Ovidschen Fabel von der Verschmelzung eines Halbgottes und einer Nymphe zu einem Zwitterwesen.

Ovid erzählt in seinen Metamorphosen - mit sichtbarer Freude an den Details - die Geschichte des ausnehmend hübschen jungen Halbgottes Hermaphroditos und der liebestollen Nymphe Salmakis: Hermaphroditos war der Sohn des Merkur und der Venus, sein schönes Antlitz trug männliche und weibliche Züge. Auf seiner Wanderung gelangte er an einen klaren See, und er beschloss, darin zu baden. Da entdeckte ihn die Quellnymphe Salmakis, verliebte sich in ihn und stellte ihm nach. Der junge Hermaphroditos, unerfahren in Dingen der Liebe, wehrte sie jedoch ab. Salmakis gab zunächst vor, sich zurückzuziehen, verbarg sich jedoch in seiner Nähe. Als sich Hermaphroditos daraufhin entkleidete, um in den See zu steigen, war es um Salmakis geschehen. Ganz von Sinnen und brennend vor Begierde, wie es bei Ovid heißt, entledigte sie sich ihrer Kleidung, jagte Hermaphroditos hinterher und umschlang ihn. Als dieser sich wieder heftig wehrte, flehte sie die Götter an, sie möge auf ewig mit ihm vereinigt werden. Die Götter gewährten ihr diesen Wunsch. Salmakis und Hermaphroditos verschmolzen zu einer Gestalt - weder gänzlich Mann noch Frau, und dann wiederum beides, wie Ovid berichtet.

Es verwundert nicht, dass sich die Künstler de Neuzeit, für die Ovids Metamorphosen eine stete Quelle faszinierender Geschichten war, dieser Erzählung annahmen. Pieter Lastman (heute verloren) und Jakob Pynas (Abb. 1) etwa stellten die Erzählung in ihrer Malerei dar. Van Uyttenbroeck, der in engem Austausch mit den Künstlern des Lastman-Kreises stand, dürfte deren Kompositionen gekannt haben. Anders als etwa Jakob Pynas (der darin der italienischen Darstellungstradition folgt), stellt van Uyttenbroeck nicht dar, wie Salmakis Hermaphroditos nachstellt oder umschlingt. Er zeigt vielmehr den Moment, in dem der arglose Halbgott ins Wasser steigt und von der bereits entkleideten Nymphe beobachtet wird.
Van Uyttenroeck erreicht durch die Platzierung der beiden Protagonisten und der diagonalen Staffelung der Landschaft, dass der Rezipient bei der Betrachtung des Gemäldes quasi dem Blick der Salmakis folgt. Die Nymphe wird so zur Identifikationsfigur des Betrachters im Bild, dieser wiederum wie Salmakis zu einem Voyeur. Überdies, und das ist eine weitere Besonderheit der Bilderfindung, erzählt van Uyttenbroeck den weiteren Verlauf der Ovidschen Fabel durch die Landschaft: So wird die Verschmelzung von Hermaphroditos und Salmakis durch die sich ineinander schlingenden Äste der zwei Bäume im Bildzentrum repräsentiert und antizipiert. Was niederländische Künstler wie Jan Gossaert (Abb. 2; Rotterdam, Boijmans van Beuningen Museum) in einer Figurenkomposition darstellen, zeigt van Uyttenbroeck auf diese Weise in der Natur.
Damit erzeugt van Uyttenbroek in seiner Landschaftskomposition eine raffinierte Doppeldeutigkeit. Hinter einer vordergründig friedvollen Szenerie im Stil einer Pastorale verbirgt sich eine fantastische Landschaft, die verwunschen ist. Denn der zum Zwitterwesen transformierte Hermaphroditos bat die Götter, sein eigenes Schicksal möge jeden ereilen, der in den See steigt; ein Wunsch, den ihm die boshaften Götter erfüllen sollten.

Moses van Uyttenbroecks geistreiche Landschaft mit der Erzählung des Hermaphroditos-Mythos traf in Den Haag, wo der Künstler Zeit seines Lebens tätig war, sicherlich auf ein verständiges Publikum, das die Vielschichtigkeit der Darstellung verstand; nicht zuletzt in Person des Statthalters Frederick Hendrick, der solche mythologischen Themen schätzte und van Uyttenbroeck später bedeutende Aufträge in dieser Gattung vergeben sollte.

Abb. 1/Ill. 1: Magdalena van de Passe nach Jacob Pynas, Salmakis und Hermaphroditos, Radierung / Magdalena van de Passe after Jacob Pynas, Salmacis and Hermaphroditos, Engraving © Rijksmuseum, Amsterdam

Abb. 2/Ill. 2: Jan Gossaert, Salmakis und Hermaphroditos / Salmacis and Hermaphroditos © Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam

Provenienz

Slg. des Künstlers Joseph Henri Gosschalk (1875-1952), Den Haag. - Ab 1931 als Leihgabe im Gemeentemuseum, Den Haag. - Von J. Mooijman (Angestellter einer Brauerei) 1943 verkauft an Erhard Göpel für den „Sonderauftrag Linz“. - Stichting Nederlands Kunstbezit, Den Haag 1946 (Inv.-Nr. NK 2532). - Als Leihgabe an das Kunsthistorisch Instituut, Utrecht. - Prins Willem V Gallerij, Den Haag, seit 1977. – Mauritshuis, Den Haag, als Leihgabe des Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed, 1992-2010. - Übertragen 2010. - 2018 an die Erben nach Joseph Henri Gosschalk restituiert.

Literaturhinweise

G. Poensgen: Holland zwischen Kindheitserinnerungen und Kunstgeschichte, in: Das Kunstwerk, I (1949), S. 31, m. Abb. - Ulrich Weisner: Moyses van Uyttenbroeck: Studien und kritischer Katalog seiner Gemälde und Zeichnungen, Diss. Kiel 1963, Kiel 1963, Nr. 57. – Ulrich Weisner: Die Gemälde des Moyses van Uyttenbroeck, in: Oud Holland, LXXXIX (1964), S. 189-228, Nr. 55. - Bob Haak: Hollandse schilders in de Gouden Eeuw, Amsterdam 1984, S. 335, Abb. 716. - Eric Sluijter: De 'Heydensche fabulen' in de noordnederlandse schilderkunst, circa 1590-1670: een proeve van beschrijving en interpretatie van schilderijen met verhalende onderwerpen uit de klassieke mythologie, Diss Leiden 1986, Leiden 1986, S. 67. - Ausst.-Kat. Amsterdam/Boston/Philadelphia 1987: Masters of 17th-Century Dutch Landscape Painting, hrsg. v. Peter C. Sutton, Amsterdam 1987, S. 535-537, Nr. 123, Abb. 13. - E. Buijsen u. P. van der Ploeg: Acquisitions for the Mauritshuis over the Past Two Years, in: Mauritshuis in focus, VI (1993), Nr. 2, S. 18-33, S. 31-32, Nr. 10. - B. Boos: Intimacies & Intrigues: History Painting in the Mauritshuis, Den Haag/Gent 1993, S. 29. - E. Buijsen et al.: Haagse Schilders in de Gouden Eeuw: Het Hoogsteder Lexicon van alle schilders werkzaam in Den Haag 1600-1700. Den Haag/Zwolle 1998, S. 272-273. - Karl A. E. Enenkel: Salmacis, Hermaphrodite, and the Inversion of Gender: Allegorical Interpretations and Pictorial Representations of an Ovidian Myth, ca. 1300-1700, in: Karl A. E. Enenkel u. Traninger Anita (Hrsg.): The Figure of the Nymph in Early Modern Culture, Amsterdam 2018, S. 53-149, S. 131, Abb. 3.16, S. 98.

Ausstellung

"Masters of 17th Century Dutch Landscape Painting, Amsterdam/Boston/Philadelphia, 1987/88, Nr. 123. - "Between Fantasy and Reality: 17th Century Dutch Landscape Paintings", Tokyo/Leiden, 1992/93, Nr. 66. - "Griekse goden en helden in de tijd van Rubens en Rembrandt", Dordrecht/Athen 2000/2001, Nr. 84.