Heinrich Dreber, gen. Franz-Dreber - Waldlandschaft mit Genoveva und dem Schutzengel - image-1

Lot 1530 Dα

Heinrich Dreber, gen. Franz-Dreber - Waldlandschaft mit Genoveva und dem Schutzengel

Auktion 1132 - Übersicht Köln
18.05.2019, 14:00 - 19. Jahrhundert
Schätzpreis: 14.000 € - 18.000 €

Heinrich Dreber, gen. Franz-Dreber

Waldlandschaft mit Genoveva und dem Schutzengel

Öl auf Leinwand. 140,5 x 100,5 cm.
Signiert unten links: F. Dreber.

Von 1862 bis 1869 schuf Heinrich Dreber im Auftrag von Otto Wesendonck acht Landschaftsgemälde für das Musikzimmer der Villa Wesendonck in Zürich. Wesendonck ist heute vor allem als Mäzen von Richard Wagner bekannt, den er 1852 in Zürich kennengelernt hatte und fortan finanziell unterstützte. Ab 1857 stellte er Wagner das Gartenhaus seiner Villa als Wohnhaus zur Verfügung, wo der Komponist u.a. die Wesendonck-Lieder nach fünf Gedichten von Wesendoncks Ehefrau Mathilde schrieb. Die Gemäldesammlung Alter Meister von Otto Wesendonck wurde 1935 in der 376. Lempertz-Auktion in Köln versteigert.
Vier der acht Gemälde, die Dreber für das sogenannte „Dreberzimmer“ der Villa Wesendonck schuf, sollten mediterrane Landschaften mit Szenen der antiken Mythologie wiedergeben, die anderen vier nordalpine Gegenden mit Episoden aus der deutschen Sagen- und Märchenwelt. Zu dieser Gruppe gehört die vorliegende „Waldlandschaft mit Genoveva und dem Schutzengel“, die Wesendonck im Dezember 1865 bei Heinrich Dreber bestellte und die im Juli 1868 in Zürich eintraf.
Der Legende zufolge war Genoveva die Tochter eines Brabanter Herzogs. Als ihr Ehemann, Pfalzgraf Siegfried, in den Krieg zog, wurde Genoveva von dessen Statthalter des Ehebruchs bezichtigt und zum Tod verurteilt, nachdem sie dessen Werben zuvor abgewiesen hatte. Genoveva wurde jedoch nicht hingerichtet, sondern lebte fortan mit ihrem Sohn in einer Höhle im Wald, wo ihr als Zeichen des himmlischen Beistands eine Hirschkuh erschien, deren Milch sie vor dem Tod bewahrte.
Dreber hat diese Sage, die in einer Vielzahl von Dichtungen, Gemälden und Opern aufgegriffen wurde, in eine hochaufragende, dicht bewachsene Landschaft eingefügt. Im Zentrum der Komposition, wenn auch in der unteren Bildhälfte, sitzt Genoveva mit ihrem Sohn und der Hirschkuh. Hinzu kommt etwas erhöht ein Schutzengel, der zu Genoveva hinunterschaut und damit auch den Blick des Betrachters wieder zur Hauptfigur lenkt. In einer 1841, also 27 Jahre zuvor entstandenen Ausführung desselben Themas durch Drebers Lehrer Ludwig Richter (Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. HK-1236) fehlt dieser Schutzengel, während die Komposition ansonsten u.a. im Hinblick auf das Verhältnis der Figuren zur Landschaftsszenerie vergleichbar erscheint. Heinrich Dreber war von 1836 bis 1841 Schüler Ludwig Richters an der Dresdener Akademie. Zwei Jahre später zog der Künstler nach Rom, das er mit Ausnahme zweier kurzer Aufenthalte in Deutschland nicht mehr verlassen sollte. Die oft großformatigen, zuweilen melancholischen Landschaftsgemälde Drebers, die mit mythologischen, biblischen oder auch ländlichen Staffagefiguren belebt werden, gelten als Wegbereiter des romantisierenden Neoklassizismus und des Symbolismus.

Provenienz

Slg. Otto u. Mathilde Wesendonck, Zürich. – Slg. Moritz von Bissing (Schwiegersohn von Otto u. Mathilde Wesendonck), Agg bei Oberaudorf. - Süddeutsche Privatsammlung.

Literaturhinweise

Richard Schöne: Heinrich Dreber (=Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte 34), Berlin 1940, S. 164, Nr. 32e. - Ulf Dingerdissen: Genoveva von Brabant. Ein romantisches Schlüsselthema in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts (=Ars et Scientia 18), Berlin u. Boston 2018, S. 89ff, Abb. 127.

Ausstellung

Erste Ausstellung in der Königlichen National-Galerie zu Berlin. Werke des Landschaftsmalers Heinrich Franz-Dreber, Mai-Juni 1876, Nr. 6.