Georg Schrimpf - Am Morgen - image-1

Lot 271 Dα

Georg Schrimpf - Am Morgen

Auktion 1134 - Übersicht Köln
31.05.2019, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 60.000 € - 80.000 €
Ergebnis: 198.400 € (inkl. Aufgeld)

Georg Schrimpf

Am Morgen
1936

Öl auf Leinwand 86,4 x 60,3 cm Gerahmt. Unten rechts dunkelbraun signiert 'G Schrimpf 36'. - Einige kleinere Retuschen zum Unterrand hin, an der rechten Schulter der linken Figur sowie innerhalb des Rocks der rechten Figur.

Zu den schönsten und künstlerisch besonders interessanten Gemälden Schrimpfs gehören zweifellos die musealen Fenster- und Balkonbilder, zu denen die vorliegende Komposition "Am Morgen" aus langjährigem Privatbesitz zu zählen ist. Sehr vergleichbar wären die Vorläufermotive aus dem Jahr 1927 wie "Mädchen auf dem Balkon" (Kunstmuseum Basel, ehemals Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, nach 1933 als "entartet" beschlagnahmt), "Auf dem Balkon" oder ein Gemälde wie "Ausschauende" von 1931 (ebenfalls ehemals Bayerische Staatsgemäldesammlungen). Insbesondere die Paarung zweier Mädchenfiguren in Rückenansicht findet sich hier variiert: Schrimpf kontrastiert feine, empfindsame menschliche Bewegungsformen zwischen einfachem Stehen und anmutiger Beugung, die die Bildarchitektur und den Bildraum insgesamt definieren und den Betrachter suggestiv einbeziehen. Gewählter Bildausschnitt und Motiv fallen in klassischer Weise mit dem faktischen Bildformat fast zusammen. Erfasst man die auffällige Strenge, die vermeintliche Simplizität des Bildaufbaus wie die beruhigten Farb- und Formreduktionen als Ausdruck neusachlichen Stils, ist dennoch neben der Modernität und Zeitgenossenschaft dieser Formgebung der Rückbezug auf die stimmungshaften Bildtraditionen der deutschen Romantik spürbar, insbesondere auf das Werk Casper David Friedrichs. Elemente wie kompositionelle Zentrierung, Rückenfigur, kontrastierte räumliche wie gefühlsmäßige Distanzen zu Natur und Landschaft und nicht zuletzt die inszenierte Lichtführung, die als mystisch und transzendent zu bezeichnen wäre, ließen sich hier unmittelbar vergleichen. Die innere menschliche Bewegung, die nicht explizit ausgesprochen ist, wird nur angedeutet und auf den Betrachter übertragen. So wurde das Werk von Georg Schrimpf, das um 1930 seinem Höhepunkt zustrebte, durchaus als "neuromantisch" rezipiert. Modern bleibt die Stilisierung aller Details bis hin zur formalen Repetition, etwa in der eisigen Hochgebirgskette, der jenseits einer realistisch-objektivierten Beschreibung ein magisches Moment zuwächst. Diese Bildereignisse der Verfremdung, zu der auch die eigentümliche Lichtstimmung aufgehender Sonne gehört, erscheinen jedoch letztlich inhaltlich ausbalanciert, sind sie doch auf etwas Wunderbares gerichtet und umfassen etwas zutiefst Menschliches, ein schwer zu fassendes "Urerlebnis".

Werkverzeichnis

Hofmann/Praeger 1936/1

Provenienz

Graphisches Kabinett Günther Franke, München (1939; rückseitiges Etikett); Privatsammlung Nordrhein-Westfalen; seitdem in Familienbesitz

Literaturhinweise

Matthias Pförtner, Georg Schrimpf, Berlin 1940, Abb. S. 55; Josef Adamiak, Georg Schrimpf. Ein Beitrag zum Problem der Malerei der "Neuen Sachlichkeit", Berlin 1961 (ungedruckte Diplomarbeit der Humboldt-Universität), S. 44 mit Abb. Nr. 69

Ausstellung

München 1939 (Graphisches Kabinett Günther Franke, Palais Almeida), Georg Schrimpf. Gedächtnis-Ausstellung, Kat. Nr. 22 mit Abb. auf dem Umschlag