Lot 296 D

Dieses Blatt gehört zu einer Serie mit sehr fragilen und zarten Kompositionen, die im Jahr 1966 entstehen: um eine Lösung zu finden, eine Idee zu verfolgen, Gedanken zu verdichten. Die Flecken und Tupfer und eine kurze sie ordnende Linie folgen einem natürlichen Rhythmus. Sie wachsen, formen sich zu Gefügen und Geflechten, überspannen das Format. Trotz informeller Offenheit entsteht eine konzeptuelle Strenge, Miró zeichnet einen intensiven Prozess der Gestaltung; Bildideen werden im Kleinen entwickelt und bei aller Eigenständigkeit dennoch auf ihre Aussagekraft fürs Große überprüft. Überraschende Einfälle wechseln mit sorgfältiger Kalkulation. „In Zeichnungen segeln Objekte auf einer planen Fläche“, schreibt Miró 1924 an den jungen Schriftsteller und Ethnologen Michel Leiris, und Jahre später, in den 1960er Jahren, lässt der Künstler wissen, welch enorme Anstrengung es für ihn bedeutet, zu einer gewünschten Leere zu kommen, die ihm vorschwebe. Natürlich kann man sich bei der Betrachtung von kompliziertem Hinterfragen und Ausdeuten lösen und bei der Betrachtung sich Naturphänomene wie einen nächtlichen Sternenhimmel einbilden und sich deshalb in dieses für Miró typische Motiv voller Poesie verlieben. Miró hat sich einmal als „travaillant comme un jardinier“ bezeichnet, eine wunderbare Metapher für seinen ungebrochenen Willen, die Welt künstlerisch auch mit Leere zu versehen. „Übrigens“, so Miró im Jahr 1959 „gibt es auf meinen Bildern ganz kleine Formen auf großen leeren Flächen. Die leeren Räume, Horizonte und Flächen, alles, was leer ist, hat mich immer sehr beeindruckt.“ (zit. nach Ausst. Kat. Joan Miró. Arbeiten auf Papier, Kestner-Gesellschaft Hannover 1989/1990, S. 13).