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Lot 647 D

Nobuyoshi Araki - Tattooed fuck (aus der Serie: Tokyo Comedy)

Auktion 1135 - Übersicht Köln
01.06.2019, 14:00 - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 20.000 € - 30.000 €
Ergebnis: 19.344 € (inkl. Aufgeld)

Nobuyoshi Araki

Tattooed fuck (aus der Serie: Tokyo Comedy)
1998

Gelatinesilberabzug. 46 x 57,6 cm (50,7 x 60,5 cm). Unter Passepartout und Glas gerahmt. Rückseitig mit Bleistift signiert.

Die bühnenhaft inszenierte Aufnahme eines Paares beim Geschlechtsakt nimmt in Arakis Werk eine Sonderstellung ein. Nicht nur das Fehlen jeglicher Accessoires, die die Szenerie wie sonst bei Araki üblich in einen räumlichen oder erzählerischen Kontext stellen, auch die Anwesenheit eines männlichen Akteurs stellt etwas Außergewöhnliches in Arakis Bilderkosmos dar. Auffällig ist, dass den Mann, der sich hier einem Dämon gleich über die am Boden liegende und in Exstase versunkene Frau beugt, eine eindrucksvolle Ganzkörpertätowierung schmückt. Diese Form des Körperschmucks war in Japan jahrzehntelang Mitgliedern der Yakuza, der berüchtigten kriminellen Organisation mit mafiaähnlicher Clanstruktur, vorbehalten und gilt noch heute im öffentlichen Leben als anstößig. Die Tätowierung des Mannes bildet das Zentrum der Aufnahme, gleichsam einem „Bild im Bild“. Es zeigt das bekannte Motiv des legendären Kriegermönchs Benkei als jungen Oniwakamaru im Kampf mit dem Riesenkarpfen nach einer Holzschnittvorlage von Utagawa Kuniyoshi (1798-1861) am Ende der Edo-Zeit. Dieses Motiv besitzt eine lange Tradition in der japanischen Tätowierkunst irezumi. Schon aus dem 19. Jahrhundert sind Ganzkörpertätowierungen dieser Szene bekannt. Dabei handelt es sich hier zudem um eine besonders qualitätvolle Tätowierung, ausgeführt von dem berühmten Tattookünstler Horitoku, der zu den führenden Meistern der traditionellen japanischen Tätowierkunst in Japan zählt und sich mit seinem Namensschriftzug auf dem Rücken des Mannes verewigt hat.
„Arakis Werk ist eine Beschwörung von Ekstase und Tod, Begierde und Vergänglichkeit, eine thematische Kombination, wie wir sie aus der Tradition des japanischen Films und der japanischen Literatur kennen. Darüber hinaus verbindet Araki in seinen Bildfolgen Phasen des Grotesken mit Perioden der Meditation, zweier Konstanten der japanischen bildenden Kunst. […] Im Zusammenhang mit Arakis Darstellungen des Sexuellen hat man immer wieder zwei Themenkomplexe diskutiert, zum einen den allgemeinen des Pornographischen […] sowie die sadomasochistischen Darstellungen, die für das europäische Auge befremdlich wirken. Araki reagiert mit den sadomasochistischen Darstellungen auf ein durchgehendes Thema seiner eigenen Kultur, auch das der Comics. Der zweite Blick auf die Strangulations- und Unterwerfungsphantasien enthüllt uns aber, dass Araki ein ironisches Spiel spielt, welches das augenzwinkernde Einverständnis der Darsteller miteinschließt, die Teil der Komödie sind, die der Künstler inszeniert. Dies betrifft auch die todernste „Pornographie“ mit ihren üblicherweise phallisch orientierten Potenz- und Kopulationsphantasien, denen Araki eine viel stärker von der Körpererfahrung und dem Exhibitionismus der Frauen selbst geprägte Bildwelt gegenüberstellt. […] Das Schlaraffenland Arakis, seine oralen Orgien und Haremsphantasien, tragen den Keim des Todes in sich, dem wir in den verlassenen Häuserschluchten Tokios, den Himmelslandschaften und Stadtausschnitten begegnen, die erfüllt sind vom unbändigen Gelächter Arakis“ (Peter Weiermeier, in: Jean-Christophe Ammann (Hg.), Nobuyoshi Araki. Shikijyo. Sexual desire, Kilchberg u.a. 1996, S. 11f.).
Dass Araki selbst mit dieser Aufnahme eine Assoziation des Todes verbindet, es sich also hierbei um eine Vanitasdarstellung handelt, zeigt die Tatsache, dass er das Motiv zusammen mit einer Variante, die die beiden Akteure wie tot auf dem Boden ausgestreckt liegend zeigt, in dem Katalog „Self, Life, Death“ ganz ans Ende stellt unter der Überschrift 'River between life and death'.

Provenienz

Vom Photographen an den heutigen Eigentümer

Literaturhinweise

Nobuyoshi Araki, Araki by Araki. The Photographer’s Personal Selection, 1963-2002, Tokyo u.a. 2003, S. 356 mit Abb.; Akiko Miki (Hg.), Nobuyoshi Araki, Self. Life. Death, London 2011, S. 650 mit Abb.; Nobuyoshi Araki, Araky by Araki, Köln u.a. 2014, S. 251 mit Abb.