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Lot 1001 Dα

Maestro di Campo Giove (Nicolo Olivieri della Pietranziera?) - Vier Tafeln mit Szenen aus der Legende des Heiligen Eustachius

Auktion 1141 - Übersicht Köln
16.11.2019, 11:00 - Gemälde und Zeichnungen 15. - 19. Jh.
Schätzpreis: 140.000 € - 160.000 €
Ergebnis: 198.400 € (inkl. Aufgeld)

Maestro di Campo Giove (Nicolo Olivieri della Pietranziera?)

Vier Tafeln mit Szenen aus der Legende des Heiligen Eustachius

Tempera auf Holz. Jeweils 40 x 32 cm.

1. Eustachius, auf der Flucht vor der Pest in Ägypten angekommen, wird von seiner Frau getrennt
2. Der Kaiser Trajan übergibt Eustachius das Kommando seiner Truppen
3. Eustachius führt seine Truppen in den Krieg
4. Eustachius, der in seinem Heerlager seine Frau wiederfindet

Vorliegende vier Tafeln mit Szenen aus der Eustachius-Vita sind Elemente eines großen Flügelaltars zu Ehren eben dieses Heiligen. Vor ihrer undurchsichtigen Entfernung aus dem angestammtem Platz, dem Eustachius-Altar in der ihm gewidmeten Kirche in Campo di Giove, einem abgelegenem Bergdorf in den Abruzzen vor gut 115 Jahren (Oktober 1902), waren sie noch Bestandteil des groß angelegten Bildzyklus eines Flügelaltars, in dessen Zentrum eine Holzplastik des Eustachius stand, dessen Vita auf den Flügeln beidseitig auf je acht gemalten Episoden erzählt wurde.

Obwohl durch den bisher nie ganz geklärten Raub oder Verkauf durch den Dorfpfarrer und Sakristan vor fast 120 Jahren in Einzelteile zerlegt und in alle Welt verkauft, blieb die Bildfolge des verschollenen Flügelaltars fundamentaler Orientierungspunkt für die Erforschung der italienischen Eustachius-Ikonographie und wurde 1952 - damals noch in Unkenntnis der abruzzischen Autorschaft und im Glauben, es handle sich hier um toskanische Arbeiten des 14. Jahrhunderts - in Kaftals Repertoire der Ikonographie der toskanischen Heiligen aufgenommen (Kaftal, 1952, S. 356-360).

Die meisten Elemente dieses Bilderzyklus sind während der vergangenen Jahrzehnte immer wieder im Handel aufgetaucht und haben Eingang in die verschiedensten Sammlungen gefunden. Der aus fünf Tafeln bestehende Hauptteil gelangte in die Sammlung Saibene in Mailand (L. P. Nicoletti, 2008), andere haben den Weg zurück in die Abruzzen in die Galleria Nazionale degli Abruzzi nach Aquila gefunden, und weitere sind oder waren in Privatsammlungen in Bergamo, Frankreich, Deutschland und den USA. Nur zwei Bilder mit den Szenen "Eustachius schaut mit seinen Söhnen in den Fluss" und "Eustachius und seine Familie werden den wilden Tieren zum Frass vorgeworfen bleiben aber unversehrt" gelangten nach 1902 nie wieder ans Licht. Für eine ausführliche Analyse der verschiedenen Geschicke und der gewundenen Wege dieser Eustachius-Szenen sei auf L. P. Nicolettis Beitrag von 2008 verwiesen.

Die hier angebotenen vier Tafeln wurden, nachdem sie Teil einer Sammlung in Leipzig waren, in der Sammlung Kisters geortet, von wo sie 1977 wieder veräußert wurden und bis heute nicht lokalisiert werden konnten. Die vier Tafeln erzählen mit viel Verve und «in direkter Rede» vier Episoden der Eustachius-Vita, wie sie in der Legenda Aurea festgehalten sind. Die jeweils verbildlichten Episoden des Heiligen sind in schlichten Szenarien angesiedelt, wo die Figuren meist an den Bildvordergrund gedrängt mit einfacher Gestik und lebhafter Mimik interagieren. Entgegen der älteren Meinungen haben Nicoletti (2008, 2014), Pasqualetti (2008, 2014) und Angelelli (2014) unlängst überzeugend klargemacht, dass hier ein lokaler, aus den Abruzzen stammender Maler am Werk war, der sich vermutlich aus dem anonymen Maestro del Crocifisso d' Argento entwickelt hat und den für diese Gegend typischen hybriden Stil erkennen lässt. Dieser verbindet die umbrischen Umformungen der toskanischen Vorgaben in Assisi und solche aus den Marken sowie lokale Kunstformen zu einer sehr persönlichen Bildsprache. Seine Anbindung an die Region der Abruzzen konnte weiter durch den Freskenzyklus mit der Franziskus-Vita in San Francesco in Castelvecchio Subequo geltend gemacht werden, der überzeugend dem Meister der Eustachius-Tafeln zugewiesen wurde (Angelelli 2014).
Im Vergleich zu den graziler wirkenden und letztlich sich etwas dynamischer bewegenden Figuren der Tafelbilder ist in den Fresken ein etwas ausgewogeneres und monumentaleres Erscheinungsbild angestrebt, in dem nun die Figuren plastisch wirkungsvoller in Szene gesetzt sind. Dass es sich hier jedoch, wie von Pasqualetti (2014) argumentiert, in beiden Fällen um die gleiche Hand handelt, zeigt sich auch am Detailvergleich an den Figuren, insbesondere an ihren Gesichtern.

Unlängst wurde für unseren Maler auch die Tätigkeit im Bereich der Fassung von Holzskulpturen nachgewiesen. So konnte etwa seine Autorschaft für die Bemalung eines Heiligen Nikolaus in der Sammlung des Cloisters in New York und weiterer Skulpturen - darunter eine aus Campo di Giove stammende Madonna mit Kind im Museo Civico Diocesano d'Arte Sacra in Sulmona - beansprucht werden.

Eine dieser Skulpturen, die Madonna mit Kind aus Campo di Giove in Sulmona, soll laut einer Inschrift aus dem 18. Jahrhundert mit den Lettern "Nicolo Olivieri della Pietranziera pinxit" signiert gewesen sein (Nicoletti 2014), was womöglich auf die Identität des Meister von Campo di Giove schließen lässt. Die chronologische Erschließung der Werke dieses Künstlers ergibt sich aus dem Franziskus-Zyklus in der Cappella dei Conti di Celano von San Francesco in Castelvecchio Subequo, der, wie eine Inschrift kundgibt, im Dezember 1394 vollendet war. Somit dürfte die Entstehung der Tafeln mit dem Eustachius-Zyklus ungefähr in diese Zeit fallen, womöglich etwas früher, noch in die späteren 1380er Jahre.

Wir danken Prof. Gaudenz Freuler für die Unterstützung bei der Katalogisierung dieser Bilder.

Provenienz

Campo di Giove (Abruzzi), Chiesa di Sant´Eustachio. - 1902 zusammen mit allen Elementen des Eustachius-Altars verschollen. – Sammlung Max von Bleichert, Leipzig. - Auktion „Sammlung Max v. Bleichert, Leipzig, Zweiter Teil, Kunstgewerbe / Gemälde Alter Meister“, Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 9.-10.12.1931, Lots 214-217. - Sammlung Heinz Kisters bis 1973. - Europäische Privatsammlung.

Literaturhinweise

A. de Nino: Notizie degli Abruzzi. Una pittura rubata a Campodigiove (AQ), in: L´Arte 5, 1902, S. 425-426. - P. Piccirilli: Notizie dagli Abruzzi. Opere d´arte in Campodigiove, in: L´Arte 6, 1903, S. 210-217. - A. de Nino: Sommario dei monumenti e degli oggetti d´arte, 1904, S. 16-17. - G. Kaftal: Iconography of the Saint in Tuscany, Florenz 1952, S. 356-360. - M. Eisenberg: A late Trecento Custodia with the life of St. Eustace, in: Studies in late Medieval and Renaissance paintings in honour of Millard Meiss, - I. Lavin, J. Plummer (Hg.) New York 1977, I. S.143-151, II. S. 47-53. - L. P. Nicoletti: Maestro di Campo Giove, in: Altri quaranta dipinti antichi dalla collezione Alberto Saibene, a cura di G. Agosti, 2008, S. 4-25, Nr. 1-5. - G. Pasqualetti: Da Campo di Giove a Castelvecchio Subequo, un nouvo protagonista della pittura del Trecento in Abruzzo, in: Ritorno in Abruzzo. Le storie di S. Eustachio restituite dal Grand Rapids Art Museum, 2008, S. 7-18. - C. Pasqualetti: Scheda in S.O.S Arte dell´Abruzzo, una mostra per non dimenticare, 2010, S. 173-174. - L. P. Nicoletti: Sulle Trace della Custodia di Campo di Giove. Fortuna Critica e di Mercato dei Frammenti delle Storie di Sant. Eustachio, in: C. Pasqualetti (ed.): La Via degli Abruzzi e le Arti nel Medioevo, 2014, S. 75-86. - W. Angelelli: Modi, Modelli e Moduli. Le Storie di San Francesco nella Capella dei Conti di Celano a Castelvecchio, in: C. Pasqualetti (Hg.): La Via degli Abruzzie le Arti nel Medioevo, 2014, S. 87-116.