Edward S. Curtis
The Vanishing Race
1904
Orotone-Print. 27,8 x 35,4 cm. Im Negativ unten rechts signiert. - Kleine Fehlstelle unten links. In Holzrahmen (alt).
Als Curtis um 1890 begann, sich für das Leben der nordamerikanischen Ureinwohner zu interessieren, war die Vertreibung der meisten Indianer aus ihren Stammesgebieten längst abgeschlossen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Interesse an der Ethnographie und den „edlen Wilden“, als die man die Indianer inzwischen in der amerikanischen Gesellschaft sah, stark angestiegen. Offenbar entsprach der piktorialistische Blick des Photographen den romantischen Bedürfnissen eines Publikums, das den 'Wilden Westen' nur noch aus Büchern kannte. Curtis' Idee, Leben und Zeugnisse sämtlicher Indianerstämme Nordamerikas in einem breit angelegten, mehrbändigen Opus festzuhalten, entstand um 1903 und entsprach seinem Wunsch, den nordamerikanischen Indianern ein Denkmal zu setzen und dem Vergessen ihrer Kultur entgegenwirken. Die Enzyklopädie 'The North American Indian' erschien in 20 Einzelbänden zwischen 1907 und 1930. Präsident Theodor Roosevelt gehörte zu den prominentesten Förderern des Vorhabens.
The vanishing race, ein Motiv, das für Curtis offenbar eine Schlüsselstellung einnahm und das er darum als erste Tafel des ersten Bandes seiner Enzyklopädie verwendete, zeigt die verklärende Auffassung seiner frühen Photographien, die später einem eher nüchternen, dokumentarischen Blick weichen sollte. Man sieht eine malerisch aufgefasste Gruppe von Navajo-Indianern, die in der Abendsonne davonreitet und damit wortwörtlich - wie der Titel besagt - aus dem Blickfeld verschwindet. Bei dem hier vorliegenden Abzug handelt es sich - anders als bei der in der Publikation verwendeten Photogravüre - um einen warmtonigen Orotone print oder Curt-Tone print (Curtis benannt den von ihm weiter entwickelten Prozess nach sich selbst). Es ist dies ein der Ambrotypie verwandtes Verfahren, bei dem ein großformatiges Glaspositiv erstellt wurde, auf das im Anschluss zur Erzeugung einer besonderen Tiefenwirkung eine Emulsion aus Bananenölen und Bronzepulver aufgetragen wurde. Diese Prints, die wegen ihres edlen Goldtons und ihres metallischen Glanzes sehr geschätzt wurden, bot Curtis in verschiedenen Größen an. Es handelt sich um Unikate, die ihrer Empfindlichkeit wegen immer nur gerahmt verkauft wurden.
Provenienz
Privatsammlung, Niederlande
Literaturhinweise
Edward S. Curtis, The North American Indian, Bd. 1: The Apache. The Jicarillas. The Navaho, Cambridge 1907, Tafel 1; Florence Curtis Graybill/Victor Boesen (Hg.), Ein Denkmal für die Indianer. Edward Sheriff Curtis und sein photographisches Werk über die Indianer Nordamerikas 1907-1930, München 1979, S. 25 mit Abb.; Christopher Cardozo (Hg.), Native Nations. First Americans as seen by Edward S. Curtis, Boston u.a. 1993, S. 122f. mit Abb.; Christopher Cardozo, Edward S. Curtis. The Great Warriors, New York u.a. 2004, S. 7 mit Abb.; Hans Christian Adam, Edward Sheriff Curtis. 1868-1952, Köln u.a. 2004, S. 61 mit Abb.; Joanna Cohan Scherer, Edward Sheriff Curtis, London u.a. 2008, S. 44f. mit Abb. (jeweils Belichtungsvarianten)