Karl Blossfeldt - Aconitum anthora (Eisenhut) - image-1

Lot 4 Dα

Karl Blossfeldt - Aconitum anthora (Eisenhut)

Auktion 1142 - Übersicht Köln
29.11.2019, 13:30 - Photographie
Schätzpreis: 30.000 € - 40.000 €
Ergebnis: 47.120 € (inkl. Aufgeld)

Karl Blossfeldt

Aconitum anthora (Eisenhut)
1915-1920

Vintage, Gelatinesilberabzug. 29,7 x 23,7 cm. Rückseitig eigenhändig mit Bleistift beziffert, mit Nachlass-Stempel des 'Archiv Wilde, Köln' sowie von Jürgen Wilde mit Bleistift bezeichnet.

Karl Blossfeldt gilt heute neben Albert Renger-Patzsch und August Sander als Protagonist der Neusachlichen Photographie, seine Pflanzenaufnahmen zählen zu den Klassikern der Photographiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Der hier vorliegender Vintage-Abzug des „Eisenhut“ vermag uns anschaulich vor Augen zu führen, worin sich die Faszination für sein Werk begründet: Vor einem monochromen, leicht chamois getonten Bildgrund heben sich die Konturen des frontal und symmetrisch ins Bild gesetzten, gefiederten Blattes der Pflanze plastisch ab. Die dreifache Vergrößerung und formatfüllende Wiedergabe tragen maßgeblich zu seiner eindrücklichen Präsenz und skulpturalen Wirkung bei. Nahezu haptisch scheinen die grazilen Blattfiedern des Eisenhuts in dieser Aufnahme greifbar zu werden, vereinzelt hat der Photograph durch feine Retuschen im Negativ ihre reliefhaft-plastische Anmutung noch betont. Die zurückhaltende Ausleuchtung des Objekts vermeidet stärkere Schatten und gestattet eine präzise Wiedergabe der Blattstruktur, Oberflächenbeschaffenheit bis hin zu organischen Details wie der feinen Äderchen, die die feingliedrigen Teile des Blattes durchziehen. Doch zugleich und trotz der dokumentarischen Zielsetzung, die hinter dieser Aufnahme steht, gewinnt das Motiv im Objektiv der Kamera ein ästhetisches Eigenleben, erscheinen die Konturen des Blattes als Ornament, das sich filigran über die Bildfläche ausbreitet.
Blossfeldts Photographie des Eisenhuts fand Eingang in seine 1928 von Karl Nierendorf herausgegebene Publikation Urformen der Kunst, die den Photographen schlagartig berühmt machte und nach nur wenigen Monaten vergriffen war. In ihrer klaren Direktheit trafen seine Aufnahmen den Geist der Zeit, entsprachen sie doch der Maxime der neusachlichen Kunst der 1920er Jahre, nach der die Dinge mittels einer nüchtern-objektivierenden Darstellungsweise und klarer Bildkonzepte darzustellen seien. Der Publikation vorausgegangen war 1926 eine ebenfalls von Karl Nierendorf in dessen Berliner Galerie gezeigte Ausstellung der Photographien Blossfeldts. Der zum Zeitpunkt der Entdeckung seines photographischen Œuvres bereits über sechzig Jahre alte Blossfeldt, der nicht als Photograph, sondern Modelleur und Kunstgießer ausgebildet war, hatte sie bis dahin nicht als eigenständige Werke wahrgenommen. Vielmehr dienten sie ihm als Unterrichtsvorlagen im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der „Unterrichtsanstalt der Königlichen Gewerbeschule“ in Berlin, wo er bereits seit 1899 das Fach „Modellieren nach lebenden Pflanzen“ unterrichtete. Dass ihm seine Abzüge, an die Wand gepinnt, als didaktisches Material dienten, verraten die winzigen Nadeleinstichlöcher, die sich bei vielen seiner Abzüge beobachten lassen.
Nicht nur unter den zeitgenössischen Künstlern stieß sein Schaffen auf ebenso breite wie positive Resonanz (László Moholy-Nagy etwa präsentierte Blossfeldts Pflanzenaufnahmen 1929 im Rahmen der legendären Ausstellung Film und Foto). In seiner Konzentration auf ein einziges Thema, das, in serieller Bildform abgebildet und vielfach variiert, ein vergleichendes Sehen ermöglicht, gilt Blossfeldt als Vorläufer der konzeptuellen Photographie, wie sie sich in den 1970er Jahren etablierte. Bernd und Hilla Becher sind hier zu nennen, deren Typologien auf einem ähnlich sachlichen Aufnahmemodus wie auch dem Prinzip der Serie basieren.

Provenienz

Privatsammlung, Rheinland

Literaturhinweise

Gert Mattenklott, Karl Blossfeldt 1865-1932. Das Photographische Werk, München 1981, Tafel 31 (hier betitelt: Schmalblättriger Eisenhut); Karl Blossfeldt, Art Forms in the Plant World, New York 1985, Tafel 31; Ann und Jürgen Wilde (Hg.), Karl Blossfeldt. Photographien, München 1991, Tafel 15; Rolf Sachsse (Hg.), Karl Blossfeldt. Photographs 1865-1932, Köln u.a. 1996, S. 34 mit Abb.; Hans Christian Adam, Karl Blossfeldt. 1865-1932, Köln u.a. 1999, S. 105 mit Abb. (hier betitelt: Giftheil, fahler Sturmhut); Ann und Jürgen Wilde (Hg.), Karl Blossfeldt, Arbeitscollagen, München 2000, Tafel 12