Lot 214 D α

Paula Modersohn-Becker - Brustbild zweier Jungen vor Landschaft

Auktion 1143 - Übersicht Köln
29.11.2019, 18:00 - Moderne Kunst I
Schätzpreis: 80.000 € - 120.000 €

Paula Modersohn-Becker

Brustbild zweier Jungen vor Landschaft
Um 1901

Öltempera auf Malpappe 36,1 x 29 cm Gerahmt. Nicht signiert. - Rückseitig mit blauem und rotem Stift von Otto Modersohn bezeichnet "19" sowie mit Bleistift beschriftt "45" (ehem. Kaufpreis). - Der Karton leicht konvex gewölbt, vornehmlich der Oberrand etwas unregelmäßig geschnitten und minimal berieben. Die Ecken mit kleinen Nagellöchern, verso mit Resten eines weißen Papieraufklebers.

Bildnisse dieser Art sind im Werk von Paula Modersohn-Becker keine Seltenheit. Aber das Unvermitteltete, mit der die Künstlerin Köpfe der beiden Jungen in Szene setzt, erstaunt dann doch zunächst und bindet alle Aufmerksamkeit des Betrachters beim Studieren der Gesichter. Vor eine weite Landschaft im Hintergrund setzt Modersohn-Becker die Knaben wie zwei Büsten ins Bild: der eine, links nahezu en face, die rechte Schulter ein wenig hochgezogen, daneben der zweite Knabe fast verdeckt und seinen Blick nach rechts gerichtet. Mit seinen blauen Augen mustert der linke Knabe uns unbestimmt. Ähnlich verhält sich der hinter ihm Stehende: nahezu emotionslos blickt er in eine uns abgewandte Richtung - ernst, keine Miene verziehend, kein Lächeln in den Augen lässt sich erahnen. Die ins Bild ragenden Blätter über den beiden Jungen wirken wie schützende Kronen. Bei dem links gezeigten Jungen handelt es sich laut Wolfgang Werner vermutlich um dasselbe Modell wie das im "Brustbild eines Jungen vor Apfelbäumen" (vgl. Günter Busch/Wolfgang Werner, Paula Modersohn-Becker, Werkverzeichnis der Gemälde, München 1998, Bd. II, S. 131, Kat. Nr. 170).
Als Paula Becker sich 1898 in Worpswede als angehende Künstlerin niederlässt, nimmt die neue Landschaft unweit von Bremen direkten Einfluss auf ihre Bilderwelt und ihre Malerei. Sie malt, besser, sie porträtiert die Landschaft mit den schlanken Birken, den von dunklen Moorkanälen gerahmten Wiesen und den dort lebenden Menschen. „Rücksichtslos und geradeaus malend, Dinge, die sehr worpswedisch sind und die noch nie einer sehen und malen konnte“ beschreibt Rilke die junge Malerin in einem Brief an den Wuppertaler Sammler Karl von der Heydt (zit. nach Heinrich Wiegand Petzet, Das Bildnis des Dichters, Frankfurt a. M., 1957, S. 68).
Modersohn-Becker zeichnet Situationen mit Kindern oft in extremer Nahsicht und erhöht damit die Konzentration auf das Wesentliche, den Blick auf eine zutiefst menschliche Aussage. Ihre leidenschaftliche Emotionalität ist dabei fern von sozialer Erhebung und ebenso fern von einer Romantisierung der bäuerlichen Armut. Bilder wie diese zeigen ihre grundtiefe Verbundenheit mit den Kindern; sie versteht dies nicht nur inhaltlich sondern auch formal zu zeigen.

Werkverzeichnis

Nicht bei Busch/Werner

Zertifikat

Mit einer Bestätigung von Wolfgang Werner, Bremen/Berlin, vom 10.10.2018. Die Arbeit wird in den Nachtrag des Werkverzeichnisses aufgenommen.

Provenienz

Privatbesitz Rheinland in dritter Generation