Lovis Corinth
Urfeld am Walchensee
1921
Aquarell und Gouache auf leichtem, hellgrauen Karton 36 x 50,8 cm Unter Glas gerahmt. Unten im rechten Rand schwarz signiert, datiert und betitelt 'Lovis Corinth Urfeld 19. August 1921'. - In farbfrischer Erhaltung.
Der Walchensee in all seiner Idylle verwandelt sich bei Unwetter oder im Abendrot in eine unheimliche Szenerie von unmittelbarer Präsenz. So erfasst Lovis Corinth ihn auch in diesem großformatigen Aquarell von expressiver Farbigkeit. Schmiegen sich die Häuser des Örtchens Urfeld noch hell und behaglich an das vordere Ufer, so zeigt sich der See dahinter in dramatisches Rot und Violett getaucht, die rückwärtigen Berghänge lösen sich in blaugrüne Schleier auf.
Der Künstler selbst schildert seine Eindrücke von der magischen Eigenheit des Sees: „Wunderschön ist der Walchensee, wenn der Himmel schön ist, aber unheimlich, wenn die Naturgewalten toben. Wenn die Steinlawinen von den Bergspitzen herunterrollen und die stärksten Bäume wie Streichhölzer knicken, kennzeichnen sie die Spur ihres Unheils in grauenvoller Verwüstung bis in den See hinein. Es ist keine Seltenheit, derartige Naturkatastrophen zu erleben. Das ist die unheimliche Tragödie des Walchensees.“ (Lovis Corinth, zit. nach: Ausst. Kat. Lovis Corinth. Die Bilder vom Walchensee. Vision und Realität, Ostdeutsche Galerie Regensburg/Kunsthalle Bremen 1986, S. 24)
Die Gegensätzlichkeit dieser atemberaubenden Landschaft, in der Schönheit und Gewalt so nah beieinander liegen, reizte den Künstler besonders. In wenigen Augenblicken konnte eine Lichtstimmung, die die Urkraft der Natur und die unergründliche Tiefe des Sees bildhaft machte, verschwinden - der Maler arbeitete schnell und ließ in den mal dichten, mal transparent lasierenden Pinselstrichen des Aquarells die ungeduldige Spannung spürbar werden, die ihn dabei antrieb. Die herausragenden Werke, die am Walchensee entstanden, setzen neue Maßstäbe in der Entwicklung der modernen Malerei. Ludwig Justi urteilt 1931: „In Urfeld am Walchensee, wo Corinth nach dem Kriege die Sommermonate verbrachte, entstand eine große Zahl von Landschaften, die an Freiheit, Leuchtkraft und Empfindung zum herrlichsten gehören das er geschaffen hat. […] Nie zuvor ist Landschaft so gesehen und gemalt worden.“ (Ludwig Justi, zit. nach: Ausst. Kat. Lovis Corinth, op. cit., S. 101f.).
Provenienz
Karl&Faber, München, Auktion 123, 11./12. Juni 1970, Lot 585, Farbtafel IV; Privatsammlung Spanien; Privatsammlung Deutschland; Privatsammlung Schweiz; Villa Grisebach, Berlin, Auktion 161, 28. November 2008, Lot 28; Privatsammlung, Berlin
Ausstellung
Berlin 1973 (Galerie Pels-Leusden), Lovis Corinth, Kat. Nr. 23; Regensburg/Bremen 1986 (Museum Ostdeutsche Galerie/Kunsthalle), Lovis Corinth. Die Bilder vom Walchensee - Vision und Realität, Kat. Nr. 102; Berlin 2002 (Galerie Pels-Leusden), Lovis Corinth am Walchensee. Späte Bilder, Kat. Nr. 12 mit Umschlagabb. und ganzseitiger Farbabb. S. 15; Kochel am See 2009 (Franz Marc Museum), Lovis Corinth. Seelenlandschaften. Walchenseebilder und Selbstbildnisse, Farbabb. 6, S. 25