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Lot 42 Dα

Tasse und Untertasse mit Szenen nach Angelika Kauffmann

Auktion 1150 - Übersicht Berlin
16.05.2020, 11:00 - Wiener Porzellan aus einer Privatsammlung
Schätzpreis: 2.000 € - 3.000 €

Tasse und Untertasse mit Szenen nach Angelika Kauffmann

Porzellan, himmelblauer Fond, farbiger Aufglasurdekor, reliefierte Vergoldung. Konisch, mit zugehöriger UT. Auf der Tasse eine ovale Reserve mit Ceres, Cupido und Füllhorn, auf der UT eine Rundreserve mit der Geburt Shakespeares. Blaumarke Bindenschild, Jahresstempel 800 und 801 (UT), Drehernummer 39 (UT) für Ferdinand Ebenberger.
Wien, Kaiserliche Manufaktur unter Konrad von Sorgenthal, 1801.

Selbst ein Mythos: Angelika Kauffmann (1741-1807)

Melitta Kunze-Köllensperger


Längst vor Zeiten von Emanzipation, Gender Studies oder Pop-Stars wurde sie als La Madonna gehandelt - ihr Profil entspricht durchaus dem einer modernen Frau: sie war Kosmopolitin und polyglott, sie sprach vier Sprachen und war auf jedem europäischen Parkett zu Hause, sie war gebildet, intellektuell und trotz ihrer sensationellen Karriere charmant und bescheiden.

Die Faszination um diese Ausnahmekünstlerin, ihr Erfolg und ihr Talent werden bereits zu ihren Lebzeiten vielfach kommentiert. Goethe, Herder und Winckelmann - um nur einige zu nennen - zählten in Rom zu Angelika Kauffmann's Freundeskreis und rühmten Intellekt und Anmut dieser Frau in Zitaten wie „ein Weib von ungeheurem Talent“, die „vielleicht kultivierteste Frau Europas“ oder die „zehnte Muse Roms“. In London wurde sie infolge ihrer Nominierung durch Sir Joshua Reynolds 1768 Gründungsmitglied der Royal Academy.

Kopien nach berühmten Gemälden sind eine beliebte Dekor-Variante auf Wiener Porzellanen der Sorgenthal-Periode, dessen wesentliche Prämisse Aktualität in puncto Zeitgeist, Bildungsauftrag, technischer Entwicklung etc. war. Daher ist es nicht verwunderlich, dass neben Alten Meistern wie zum Beispiel Carlo Cignani (1628 - 1719), siehe Lot 48 - das Gemälde ist im Kunsthistorischen Museum in Wien seit 1783 nachweisbar - auch zahlreiche Kompositionen von Angelika Kauffmann (*1741 in Chur + 1807 in Rom) auf Tassen, Tellern, Vasen etc. der Wiener Manufaktur wiedergegeben sind. Formate en miniature eigneten sich schließlich auch für private Kunstkammern und Sammlungen des Bürgertums.

In Zeiten vor Ausstellungsprojekten und Kunstpublikationen kam der druckgraphischen Reproduktion von Gemälden eine bedeutende Rolle zu, die der Popularität von Künstlern*innen und deren Werk sowie dem Image ihrer Besitzer diente. Bereits 1810 existierten 280 Stiche zu Gemälden von Angelika Kauffmann.

Mythologische Sujets zählten zur Gattung der Historienmalerei, die als wichtigen Aspekt der aufgeklärten Kunstbetrachtung das Studium lehrreicher Sujets in den Focus stellte. Somit reflektieren die moralisierend stilisierten Emotionen Angelika Kauffmann's den sensiblen Geschmack der Zeit. Die Stichvorlagen, die oftmals von der Graphischen Sammlung Albertina in Wien angekauft wurden, konnten von den Malern der Wiener Porzellanmanufaktur studiert und kopiert werden: so ist zum Beispiel ein Blatt in der Graphischen Sammlung in der Albertina in Wien als „Fancy's sweetest Child“ betitelt. Es wurde 1782 von Francesco Bartolozzi gestochen und bezieht sich auf Verse aus dem Gedicht „The Enthusiast or the Love of Nature“ von Thomas Wharton. Die Zeilen beschreiben, wie die personifizierte Fantasie Shakespeare als Kleinkind findet, in eine Höhle bringt und seinen verwunderten Ohren die schönsten Gesänge darbietet. Angelika Kauffmann zeigt „Die Geburt Shakespeares“ als Allegorie der Fantasie mit Flügeln in den Haaren und dem neugierigen Kind auf ihrem Schoß - eine Komposition, die der Porzellanmaler auf einer Untertasse als Mutter-Kind-Beziehung interpretiert. (Lot 42)

Nymphen, Grazien oder Bacchantinnen mit Amor waren eine Quelle unerschöpflicher Inspiration und ein ewig populäres Thema: „Zwei Nymphen wecken die Liebe auf“, gestochen von William Wynne Ryland 1776, symbolisiert auf einer Tasse (Lot 43) jenen Augenblick, in dem junge Mädchen die Liebe entdecken. Der Entwurf auf einer anderen Tasse (Lot 44) zeigt die Grazie Euphrosyne als Allegorie des Frohsinns, die Amor soeben den Bogen entwendet, damit er nicht weiter Unfug treiben und Herzen brechen kann. Angelika Kauffmann inspirierte sich an einer Dichtung von Pietro Metastasios (alias Pietro Trapassi) mit dem Titel „Le Grazie vendicate“ (1735) - der Stich von Thomas Burke 1784 in der Graphischen Sammlung Albertina in Wien trägt den Titel „Amor von Euphrosyne entwaffnet“.

Provenienz

Wiener Privatsammlung.

Literaturhinweise

Ein Teller mit demselben Dekor wie die Untertasse im Kat. Verrückt nach Angelika, Düsseldorf 1998, Nr. 15.