Bedeutende Bildplatte "Zeus wird von Hera auf dem Berg Ida eingeschläfert" - image-1
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Lot 46 Dα

Bedeutende Bildplatte "Zeus wird von Hera auf dem Berg Ida eingeschläfert"

Auktion 1150 - Übersicht Berlin
16.05.2020, 11:00 - Wiener Porzellan aus einer Privatsammlung
Schätzpreis: 20.000 € - 30.000 €

Bedeutende Bildplatte "Zeus wird von Hera auf dem Berg Ida eingeschläfert"

Porzellan, farbiger Aufglasurdekor. Rund. Unten im Bildfeld signiert "Weixelbaum pinx." Auf der unglasierten Rückseite schwach erkennbare Blaumarke Bindenschild, Jahresstempel 808, Drehernummer 6 für Peter Scherer. D 33, mit modernem Holzrahmen D 47,8 cm.
Wien, Kaiserliche Manufaktur unter Konrad von Sorgenthal, 1808, bemalt von Johann Weichselbaum.

Die äußerst fein gemalte Porzellanplatte kopiert das Gemälde von Andries Cornelis Lens (1739 - 1822), das 1775 für M. de la Ferté in Paris gemalt wurde und seit 1783 in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien nachweisbar ist (Inv.Nr. 1367). 1803 entstand ein Punktierstich von Karl Hermann Pfeiffer nach dem Gemälde von Lens.
Johann Weichselbaum (1752 - 1840) besuchte die Wiener Akademie und war Schüler von Heinrich Friedrich Füger. 1772 trat er als Dessin- und Figurenmaler in die Dienste der Porzellanmanufaktur. 1784 wurde er Obermaler und 1797 Obermaler der Historienmalerei.



Feine Nuancen

Claudia Lehner-Jobst


Zur Grundausrüstung einer Malerin oder eines Malers gehört an erster Stelle eine brauchbare Palette. Schließlich kommt eine großzügige Auswahl an mischbaren Farben einem Musenkuss gleich. In der Porzellanmalerei sind darüber hinaus beträchtliche materialtechnische Hürden zu überwinden, bevor sich die Kunst entfalten kann. Schmelzfarben müssen die hohen Temperaturen des Brennvorgangs aushalten und dabei ihren eigentlichen Farbton und Glanz entwickeln. Sie verbinden sich untrennbar mit der Glasur, so bleibt ihre Pracht für alle Zeiten lichtbeständig konserviert.

Die Entwicklung geeigneter Schmelzfarben aus Mineraloxiden gehört seit der Gründung der Wiener Porzellanmanufaktur im Jahr 1718 zu den wichtigsten Aufgaben ihrer Arkanisten, den Wissenden und Hütern der geheimen Rezepturen. Bereits im November 1719 berichtete der sächsische Gesandte in Wien, Christian Anacker, dem Meißener Inspektor Johann Melchior Steinbrück über die Fortschritte des argwöhnisch beobachteten Privatunternehmens vor den Toren der kaiserlichen Residenzstadt. Die ersten Porzellanmalereien in Kobaltblau unter der Glasur sollen dem Gründer Claudius Innocentius du Paquier demnach in einer Feinheit gelungen sein, wie sie zuvor nur von ostasiatischem Porzellan bekannt waren. Spätestens 1725 waren die Grundfarben und ihre Mischungen perfektioniert. Das Interesse Meißens an der neuen Konkurrenz war sehr hoch, zumal ein 1718 aus Sachsen nach Österreich „desertierter“ Mitarbeiter, Samuel Stöltzel, nun die Wiener Geheimnisse kannte. So erwartete man 1720 seine heimliche Rückkehr mit Ungeduld, „ ... denn vorhero wusste man in Sachßen nicht, was blau, grün und roth etc. auf das Porcelain wäre.“

Die Wiener Manufaktur konnte ihr Spektrum erstaunlich schnell erweitern. Die Blumendekore, monochromen Landschaften und bunten Genreszenen sowie die subtile Staffierung der Figuren aus der kaiserlichen Zeit unter Maria Theresia erforderten neue Farbnuancen (Lots 1, 4, 5, 9, 49-52). Im Bereich der Service und Déjeuners hielt eine Vorliebe für mutige Farbkraft Einzug, inspiriert durch das Service mit dem grünen Band, welches Maria Theresia von Ludwig XV. im Jahr 1758 als diplomatisches Geschenk zur Besiegelung ihrer neuen Allianz erhalten hatte. Besonders reizvoll ist die Bemalung von Déjeuners in der Art von chiné, jenen hochmodischen Stoffmustern, welche auch die Damenroben nach der Mitte des 18. Jahrhunderts zierten (Lots 2 und 3).

Zu den Stärken der Wiener Manufaktur gehörte ein famoser „lustre“ (Glanz) der Farben, welcher unter der Direktion des von Kaiser Joseph II. im Jahr 1784 eingesetzten Ökonomen Conrad von Sorgenthal (1733-1805) vollendet wurde. Sorgenthal richtete 1786 eine Malereischule ein und ließ seine Künstler akademisch ausbilden. Ganz im Zeichen der Aufklärung förderte Sorgenthal die Erweckung des „Genies“, indem er neben historischen und philosophischen Publikationen auch stets neueste Stichvorlagen und illustrierte Bände als Vorlagen anschaffen ließ. Verstand und Empfindung sollten simultan für die künstlerische Arbeit genutzt werden und den Produkten geschmacksbildende Qualitäten einhauchen.

Johann Weichselbaum gehörte zu den herausragenden Figurenmalern der Wiener Manufaktur. 1797 wurde er Obermaler der angesehensten Abteilung der Manufaktur, der Historien- und Landschaftsmalerei. Er hatte unter Heinrich Friedrich Füger an der Wiener Akademie und somit in den vordersten Reihen des Klassizismus studiert. Die Gemäldekopie mit Zeus und Hera (Lot 46) trägt seine Signatur und stellt den virtuosen Umgang des Künstlers mit den Herausforderungen der Porzellanmalerei vor. Das eigentlich rechteckige Original wurde in der Kopie Weichselbaums, den Kurven der Adlerschwingen und Heras Arm folgend, zu einem Tondo. Mehrere Quellen weisen darauf hin, dass Weichselbaum das Sujet in einigen Versionen ausführte. Am 5. August 1804 erhielt Weichselbaum bei der Preisverteilung in der Manufaktur für „Jupiter und Juno“ eine Auszeichnung aus den Händen von Gräfin Zichy, im Beisein dreier Erzherzöge. Die „Einschreibbücher“ der Manufaktur erwähnen unter seinem Namen die Entlohnung für je einen Teller „Jupiter und Juno auf Ida“ nach „Lenz“ im Februar 1805 (45 Gulden), im November 1806 (45 Gulden) und im Januar 1807 (Aconto 10 Gulden). Ab April 1808 wird die Arbeit an einer großen Platte genannt, für die ihm 1400 Gulden bewilligt wurden, jedoch ohne Angabe des Sujets.

Die Erkenntnis, „ein noch so künstlich gemahlenes Stück macht ohne gutes Kolorit schlechte Wirkung“, veranlasste Sorgenthal, seine Künstler in die Gemäldegalerien des Kaiserhauses, der Fürsten von Liechtenstein oder der Grafen Fries und Lamberg-Sprinzenstein zu entsenden, um dort durch Nachahmung der Werke alter und neuer Meister Erkenntnisse zu sammeln. Die in Öl- oder Aquarellmalerei ausgeführten Kopien bzw. Reduktionen wurden schließlich en miniature auf Porzellanplatten oder Serviceteile übertragen und bildeten eine neue Kunstform: „Dass Kunstmahlereien auf Porzellan theurer seyn müssen, als andere Gemählde, leuchtet ... ein.“

Sorgenthal ermöglichte dem naturwissenschaftlich begabten Blumenmaler Joseph Leithner Universitätsbesuche und richtete ihm eine Fachbibliothek sowie ein Laboratorium ein: „Ihm verdankt die Fabrik den Reichthum an schönen Farben in ihrer Palette“, sie wurden ihm mit Preisen und Remunerationen belohnt. 1791 entwickelte Leithner eine Bronzeglasur, 1792 gelang ihm ein vollkommen gleichmäßiger Farbfond in tiefem, dunklen Kobalt, der als „Leithnerblau“ in die Porzellangeschichte Wiens eingegangen ist (Lot 16). Mit diesem Fond wurde eine Nachempfindung der Dekore aus Sèvres ermöglicht. Im gleichen Jahr perfektionierte er die Kupferlüsterfonds (Lots 10-14), 1793 die Goldzubereitung für die kostbaren Goldreliefornamente. Nach 1800 erfand Leithner ein reines Schwarz, Orange und Chromgrün, dem Geschmack des Empire entsprechend, 1805 folgte die Platinglasur. 1797 war der Wiener Maler Franz Osterspey zur KPM nach Berlin gewechselt. Man bescheinigte seinen Dekoren eine Keckheit der Manier und einen aussergewöhnlichen Farbglanz („lustre“). Das Geheimnis der Wiener Porzellanfarben lag nach Osterspey in der Beschaffenheit der Farben, die übereinander aufgetragen werden können, ohne zu zerfließen, „welches so sehr zu feinen Nuancen in der Malerei Gelegenheit verschaffe.“

Die kühnen Farbkombinationen und unzähligen Ornamentvarianten des Wiener Klassizismus basieren auf dem schöpferischen Klima unter Conrad von Sorgenthal. Immer wieder inspirierten Wettbewerbe und Ausstellungen der einzelnen Werkstätten neue Motive. Die überraschende Menge der unterschiedlichsten Tassen war nicht zuletzt Ausdruck einer neuen Mode: „Die feinsten Tassen sind beym Publicum nur einzeln beliebt, um den Thee- und Kaffeehtisch mit größerer Mannigfaltigkeit auszustatten.“ Zu dieser Zeit standen der Manufaktur 36 Hauptfarben zur Verfügung, die großteils untereinander mischbar waren. Ein kürzlich bei Lempertz, Köln, versteigertes Farbmusterkästchen (Auktion 1140, 15. November 2019, Lot 846) befindet sich heute im Porzellanmuseum im Augarten, Wien. Der damalige Chemiker, Mediziner und Direktor der Wiener Manufaktur, Benjamin von Scholz, schrieb 1819: „In Hinsicht der Schönheit und Reichtums der Farben, so wie in Hinsicht des Kunstwerthes der hier verfertigen Gemählde, macht ihr keine Fabrik einen bedeutenden Vorsprung streitig“.

Auch für die berühmte Blumenmalerei auf Wiener Porzellan war eine umfangreiche Palette Bedingung für die delikaten, fast aquarellhaft aufgetragenen Farbnuancen. Die großformatigen Bildplatten Joseph Niggs in der Tradition niederländischer Blumenstillleben fanden ihr dekoratives Echo in den mit Blumengebinden bemalten Servicen, Vasen und Pokalen. Ihr polierter Goldgrund steigerte die Leuchtkraft der Farben (Lot 37). Eine kaiserliche Bestellung des Jahres 1819 von 36 Blumentellern (bis 1823 wurde das Ensemble auf 96 Teller ergänzt) dienten bei Hoffesten für den Dessertgang. Das Kaiserhaus entwickelte seit Maria Theresia eine ausgeprägte Leidenschaft für Botanik. Ein „Paradeisgartl“ auf der Löwelbastei sowie Gewächshäuser und Beete auf dem Dach des Hof-Naturalien-Kabinetts der Hofburg waren Orte, an denen Kaiser und Erzherzoginnen selbst gärtnerten, nicht selten mit Pflanztöpfen aus Porzellan. Die botanischen Gärten in Schönbrunn standen den Porzellanmalern zum Studium vor der Natur offen und die Einrichtung eines Lehrstuhls für Botanik an der Universität ermöglichte auch den Künstlern neue Erkenntnisse. Im MAK, Wien, werden aus dem Nachlass der Wiener Porzellanmanufaktur zahlreiche Blumenstudien aufbewahrt, die auch als Vorlagen dienten, darunter Gladiolus bicolor und Ornithogalum Arabicum aus der Tellerserie in Lot 35 (MAK, Wien, Bibliothek und Kunstblättersammlung, Inv.-Nr. KI 11290-10 bzw. KI 11290-17). Zeitgleich wandelte sich die Mode der Tafeldekoration von den figuralen Tafelaufsätzen zu großformatigen, mit bunten Blumen bemalten und reich vergoldeten Prunkvasen, die in Wien mit heimischen oder exotischen Pflanzen aus den eigenen Gewächshäusern bestückt wurden und damit Kunst und Natur gleichwertig inszenierten.