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Lot 155 Dα

Spindler-Kommode

Auktion 1150 - Übersicht Berlin
16.05.2020, 12:00 - Preußen-Auktion
Schätzpreis: 80.000 € - 100.000 €

Spindler-Kommode

Königsholz, Rosenholz, Ahorn und gefärbtes Holz, teilweise graviert und schwarz konturiert, auf Weichholz, feuervergoldete Bronzebeschläge. Zweischübig, sans traverse, dreiseitig bombiert, mit zugespitzten Ecken und kurzen ausgestellten Vierkantbeinen. Die Platte und die Front dekoriert mit der typischen Gestaltung der dreigegliederten Rocaillenkartusche, auf den Seiten eine zentrale Kartusche, alle gefüllt mit Blumenarragements aus Schneeballen, Chrysanthemen, Tulpen, Päonien, etc. Im oberen Schub das nach unten schließende Schloss. Schlossbeschläge und Schlüssel ersetzt. H 81,3, B 136,5, T 67,5 cm.
Bayreuth, Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler, zugeschrieben, um 1760.

Das Modell dieser prachtvollen Kommode mit dem dunklen Rahmen und den entgegengesetzt schräg und heller furnierten Schubfronten ist in sehr ähnlicher Form später, 1763, erneut in Potsdam realisiert worden. Das preußische Möbel ist zusätzlich durch reiche, den Kartuschenverläufen folgende Bronzebeschläge verziert worden. Eine weitere dieser Kommoden, 1767 auf einem Eichenrahmen gebaut, wurde vom letzten Kaiser mit nach Haus Doorn genommen (Sangl, a.a.O., fig. 12 und 14).




Von Bayreuth nach Potsdam
Die Karriere der Gebrüder Spindler

Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges nahm Friedrich II. rasch die Realisierung seiner Pläne für das Neue Palais auf. Der Zuzug Johann Friedrich Spindlers 1763 und seines Halbbruders Heinrich Wilhelm Spindlers 1765 war für ihn eine glückliche Fügung. Die beiden Bayreuther Ebenisten vertraten einen Stil, der seinen persönlichen Vorlieben am nächsten kam. Die eigenen Entwürfe des Königs für die Service der KPM zeigen auf jedem Teller, jeder Terrine, jeder Tasse, Spaliere, Kartuschen und Blumen. Die Spindlerschen Möbeloberflächen nehmen diese Motive auf. Und genauso wie die Porzellane der Königlichen Manufaktur werden sie zum Markenzeichen des preußischen Rokoko. Die feinen naturalistischen Blumenmarketerien, die sich von den eher schematischen ihrer Pariser Konkurrenten deutlich abheben, schreibt Ulrich Leben dem Einfluss der Grafik des französischen Ornamentstechers und Malers Jean Pillement zu. Die Spindlers durften in Potsdam das Arbeitszimmer des Königs ausstatten, ebenso wie das Intarsienkabinett in den Räumen von Prinz Heinrich. Sie bauten zahlreiche fantastische Kommoden, von denen eine sogar mit dem letzten Kaiser ins Exil nach Huis Doorn ging.

Schon ihr erstes Werk im königlichen Auftrag, die um 1765 entstandene Kommode mit dem Papageienmotiv, ist ein beeindruckender Beweis ihrer Talente. Sie stellten sich schnell auf den hohen Anspruch des Siegers Preußen ein und bauten Möbel, die weit über das hinausgingen, was sie für Markgräfin Wilhelmine in Bayreuth produziert hatten. Hier durften sie in den kostbarsten Materialien, Schildpatt und Perlmutt, Ebenholz und Amaranth arbeiten, und es gab eine Infrastruktur, die ihnen eine enge Zusammenarbeit mit anderen hervorragenden Handwerkern, wie z.B. dem Bronzier Johann Melchior Kambly, möglich machte. Hier konnten sie Teil eines bedeutenden kreativen Prozesses werden, an dem zahlreiche der besten Künstler ihrer Zeit beteiligt waren.

Abgesehen von den in Potsdam erhalten gebliebenen Möbeln der Gebrüder Spindler, die Henriette Graf publizierte, gibt es wenige bedeutende Stücke in Privatbesitz und in internationalen Museen. Ulrich Leben beschreibt ausführlich den Kambly und den Gebrüdern Spindler zugeschriebenen, mit prachtvollen Schildpattfurnieren ausgestatteten Tisch im Rothschild Family Trust. In der Sammlung The Metropolitan Museum of Art, New York, Bequest of Emma A. Sheafer steht ein in Hölzern furnierter Tisch ähnlicher Bauweise (Inv.Nr. 1974.336.223), der vermutlich auch bei Kreisel 1970 gelistet ist, zusammen mit einem weiteren, beide damals noch als aus dem Münchner Kunsthandel stammend.

Das Modell dieses kleinen Tisches wurde von den Gebrüdern Spindler vermutlich erst in Potsdam nach Pariser Vorbild aufgenommen und weiterentwickelt. Die Platte ist hochklappbar mithilfe eines breiten geschweiften Scharnierbeschlags, der Innendeckel dekoriert mit Blumenmarketerie bzw. Schrägfurnieren, die Zarge besitzt eine Vierfacheinteilung. In der Residenz Ansbach befindet sich ein kleiner Ziertisch des französischen Schreiners François Bayer von 1763, der dem Spindler-Modell verblüffend nahekommt.

Die Laufbahn der Gebrüder Spindler begann in ihrem Heimatort Bayreuth. Der 1726 geborene Johann Heinrich und sein zwölf Jahre jüngerer Halbbruder Heinrich Wilhelm standen bis zum Tod der Markgräfin Wilhelmine 1758 in ihren Diensten. Sigrid Sangl veröffentlichte 1992 das Repertoire der Bayreuther Möbel der beiden jungen Handwerker. Die zwei hier vorgestellten Kommoden sind mit großer Sicherheit in diese Produktionsphase einzuordnen. Schon hier hatten die Spindlers ihren typischen Stil entwickelt, mit dem sie später am preußischen Hof reüssieren konnten. Allerfeinste detaillierte Marketerie überzieht die schlichte bombierte Architektur. Das Vorbild, die französische Kommode der Louis XV-Epoche, ist deutlich erkennbar. Heinrich Wilhelm war derjenige der beiden Brüder, den es auf seiner von der Zunft vorgeschriebenen Wanderung 1756 kurz nach Paris verschlug, wo er in der Werkstatt von Pierre II Migeon arbeiten durfte. Migeon produzierte damals schon viele Jahre für das Königshaus und vor allem für Madame Pompadour. Seine Marketerien kennzeichnen sich durch einen lebhaften Furnierwechsel, die Fronten seiner bombierten Kommoden zieren oft große Kartuschen sans travers. Pierre Kjellberg erwähnt außerdem auch ein kleines bureau de pente, das mit einer Landschaft nach Pillement verziert ist. Sehr wahrscheinlich also hat der jüngere Heinrich Wilhelm viele Anregungen für den „Spindler-Stil“ aus Paris mitgebracht, was alle diese hier vorgestellten Möbel wunderbar belegen. Dennoch gelang es den beiden Schreinern schon um 1760 eine eigenen Formsprache zu definieren, die Elemente des mainfränkischen Rokoko mit Pariser Eleganz verband, eine verblüffende aber beeindruckende Kombination, deren Erfolg in Deutschland nur noch von der Werkstatt Abraham Roentgens erreicht wurde.

Provenienz

Westfälische Privatsammlung.

Literaturhinweise

Vgl. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels, 2. Bd., München 1970, Abb. 788 ff.
S.a. Sangl, Spindler?, in: Journal of the Furniture History Society, Leeds 1992, Vol. XXVII, S. 22-66.