Bedeutende Marmorschale
Weißer Carrara-Marmor, transluzid gearbeitet. Das Gefäß aus zwei Teilen bestehend: Die weit ausladende Kuppa mit dem plastischen Perlfriesabschluss und den beiden Maskaronpaaren an den Seiten in einem Stück gearbeitet, aufgesteckt auf den kanneliert tordierten Trichterfuß. Um den Schaft, unter dem scheibenförmigen Nodus, ein zweites, fast vollplastisches Perlband, darunter ein umlaufender reliefierter Lorbeerblattfries. Patinierter und teilweise verfüllter älterer (produktionsbedingter?) Riss am oberen Rand, ca. 11 cm. H 41,5, D 69 cm.
Norditalien, um / nach 1810, der Entwurf Karl-Friedrich Schinkel zugeschrieben.
Vor 15 Jahren entdeckte Frank C. Möller eine ähnliche Schale, deren Produktion er der Werkstatt Christian Daniel Rauchs zuweisen konnte. Im Contobuch Rauchs war ein Francesco Menghi erwähnt, der die Arbeit an der Schale nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel am 15. März 1824 begann. Sie besteht aus zwei Teilen, der breiten Kuppa mit dem oben umlaufenden Perlband und tordierten Weinstockhenkeln sowie dem kannelierten Fuß. Die Schale wurde auf der Akademieausstellung 1826 präsentiert, wo sie Prinz Wilhelm erwarb und im Dezember 1826 zum Kronprinz hintragen ließ. Sie verblieb im Besitz seiner Nachkommen bis zur Welfenauktion 2005.
Eine weitere, sehr ähnliche Schale konnte Frank Möller im Inventar des Neuen Pavillons identifizieren, die bis dahin als italienisch galt. Sie wurde ein Jahr vorher für König Friedrich Wilhelm III. produziert. Und eine dritte, kleinere Schale befand sich später im Besitz von Rauchs Tochter, Agnes von Rauch. Alle diese Schalen sind im zweiten Contobuch Rauchs erwähnt und jetzt identifiziert. Man geht davon aus, dass es auch ein erstes Contobuch gegeben hat, was verschollen ist, so dass wir keine Informationen über mögliche weitere königliche Bestellungen nach Entwürfen von Schinkel haben.
Ebenso wie bei diesen drei Schalen setzt sich die hier vorgestellte Schale vom bisher bekannten Typus der Warwick-, Medici- und Borghese-Vasen ab, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in verschiedenen Materialien kopiert wurden und die Gärten und Interieurs des europäischen Adels schmückten. Im Gegensatz zu diesen Vasen soll die hier gezeigte Schale Nähe zur Antike assoziieren, ohne den Charakter einer Kopie zu vermitteln. Ihr Aufriss löst sich vollständig von den antiken Vorbildern. Die gewagte Architektur mit dem weit ausladenden Rand ist einzigartig. Die Wandung wurde besonders dünn gearbeitet, der Marmor hat an der dünnsten Stelle gerade mal 3 mm Dicke.
Die beiden Doppelköpfe im unteren Wandungsteil sind das einzige historische Zitat, eine Referenz an den Calyx-Krater, die sogenannte "Borghese-Vase", wo ähnliche Köpfe verwendet worden sind. Frank C. Möller vermutet in den beiden Köpfen eine Darstellung der Londoner Wächterfiguren Gog und Magog. Er verordnet die Schale in das Frühwerk Schinkels und hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Schale mit der Lieferung für den Sarkophag für Luise aus Italien gekommen ist. Die Transportgeschichte des Sarkophags ist abenteuerlich, denn das Schiff, das das von Rauch selbst angefertigte Objekt transportierte, wurde gekapert. Ein englisches Schiff konnte die Ladung zurückerobern, die schließlich, beschädigt durch Salzwasser, im Frühjahr 1815 in Charlottenburg ankam. Leider lässt sich die Vermutung, dass die Schale den Transport begleitet haben soll, nicht belegen. Sicher wissen wir nur, dass die Schale aus englischem Adelsbesitz stammt. Und in England war eine Cousine von Königin Luise, Queen Charlotte, geborene Sophie Charlotte, Herzogin zu Mecklenburg, (1744 - 1818) seit 1761 Königin, die vielleicht diese Schale bestellt oder als Geschenk erhalten haben könnte. Sie lebte zeitweilig in Kew Place, wo es einen zauberhaften Garten gibt mit den schönsten Blumentöpfen. Die hier vorgestellte Schale trägt Gebrauchsspuren, die auf einen Einsatz dort hinweisen könnten.
Als anderer möglicher früherer Eigentümer käme William George Spencer Cavendish, 6. Duke of Devonshire (1790 - 1858) in Frage, auch ein großer Liebhaber der Gartenkunst, der zahlreiche solcher Schalen und tazze in einem Besitz hatte.
Provenienz
Englischer Adelsbesitz.
Literaturhinweise
Vgl. den Entwurf von Karl Friedrich Schinkel für eine Schale mit ähnlich weit ausladender Kuppa (sog. Beuth-Schale), Kat. Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie, Berlin-München 2012, Kat. 173, Abb. 3.