Oberrheinischer Meister um 1460
Martyrium der Hl. Ursula und der elftausend Jungfrauen
Mischtechnik auf Holz (abgespalten und auf Holz aufgelegt). 132 x 110,5 cm.
Die im Hafen von Köln vor Anker gehende Kogge bestimmt das Bildzentrum. Unter den Personen, die im Schiff dicht gedrängt zusammenstehen, überragt die Hl. Ursula - entsprechend ihrer Bedeutung - ihre Gefährtinnen an Größe. Sie ist nicht nimbiert, doch mit einer an eine Hörnerhaube erinnernden Krone über beidseitig aufgestecktem Haar deutlich herausgehoben. In ihrem Hals steckt ein Pfeil. Geschildert wird der Überfall der Hunnen, bei dem - wie die Legende berichtet - Ursula zusammen mit elftausend wehrlosen Jungfrauen auf grausame Weise ihr Martyrium erlitt, indem sie mit Pfeilen niedergemetzelt wurde. Während sich alle Insassen des Bootes in geradezu stoischer Ruhe ihrem grausamen Schicksal ausweglos gegenübersehen, füllt die gesamte vordere Bildbühne das wilde Gemetzel der Barbaren in auffällig bunter Kleidung an zierlichen, schlanken Körpern. In dramatisch übersteigerten Posen führen sie vor, wie man mit spitzigen Enterhaken ein Schiff kapert, ein Schwert führt oder die Armbrust spannt.
Diese das Realistische nicht scheuende Dramatik offenbart die neuen stilistischen Tendenzen in der oberrheinischen Kunst um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Sie gehen mit dem lyrischen Ton der früheren Jahrzehnte, der in den lieblichen Gesichtern der weiblichen Figuren noch immer nachklingt, eine unverwechselbare Verbindung ein. Damit gehört diese Darstellung des Martyriums der Hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen zu den überaus raren Werken einer Übergangszeit, die schon bald von der Kunst des alles bestimmenden Martin Schongauer abgelöst werden sollte.
Wir danken Dr. Anna Moraht-Fromm, Berlin, für die aus ihrem aktuellen Gutachten erstellte Katalogisierung dieses Gemäldes.
Zertifikat
Dr. Anna Moraht-Fromm, Berlin im März 2020.
Provenienz
In den 1980er Jahren im süddeutschen Kunsthandel erworben, seither in Privatbesitz.