Alexander Kanoldt - Stilleben I - image-1

Lot 1 Dα

Alexander Kanoldt - Stilleben I

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 60.000 € - 80.000 €
Ergebnis: 62.500 € (inkl. Aufgeld)

Alexander Kanoldt

Stilleben I
1929

Öl auf Leinwand 80,5 x 65,5 cm Gerahmt. Unten rechts auf einem Lesezeichen schwarz signiert 'Kanoldt' sowie rückseitig auf der oberen Keilrahmenleiste schwarz signiert und datiert 'Kanoldt I/1929'. - Am rechten Rand mit einer kleinen Retusche.

Das großformatige Stillleben von Alexander Kanoldt zeichnet sich in mehrfacher Weise als reifes und typisches Werk des Malers aus. 1909 hatte Kanoldt zusammen mit Kandinsky, Jawlensky, Münter, Werefkin und anderen die Neue Künstlervereinigung in München gegründet, aus der zwei Jahre darauf der ‚Blaue Reiter' entstehen sollte. Kanoldt, der an der Karlsruher Akademie Malerei studiert hatte, wandte sich nach dem I. Weltkrieg gemeinsam mit seinem Freund Georg Schrimpf einer klareren Ausdruckssprache zu, die später als ‚Neue Sachlichkeit' bekannt wird; so der von Gustav Friedrich Hartlaub, dem Leiter der Mannheimer Kunsthalle, in 1925 gleich lautende Ausstellungtitel. Kanoldt kann als ein Hauptvertreter dieser neuen, für die Weimarer Republik so typischen Richtung gelten, seine Stillleben verstehen sich gleichsam als Inkunabeln.
Verschiedene Alltagsgegenstände aus dem eigenen Haushalt und Atelier sind in unterschiedlichen Konstellationen variiert. Geradezu unumgänglich ist ein Hartlaubgewächs, wie hier der Gummibaum, dessen präzises glattes Blatt prädestiniert ist für die neue sachliche, depersonalisierte Darstellungsform. In der Anordnung und Überschneidung der Gegenstände wird förmlich eine Einladung an den Betrachter ausgesprochen, am Tisch Platz zu nehmen. Die Objekte materialisieren sich in fester Plastizität, die durch fallende und wechselnde Perspektiven, Auf-, Ein- und Durchsichten irritiert wird. Zwar vermittelt die Farbgebung mit dem Komplementärkontrast von Grün und Rot eine harmonische Grundstimmung, die mit dem Weiß der Keramik optimiert ist, doch ist der gesamte Bildraum völlig verunklärt und entspricht keinem natürlichen Raumgefüge. Das scheinbar so klare Bildgefüge erfährt dadurch eine Verunsicherung, die sich mithin als Kommentar zu der von Umbrüchen geprägten politischen Situation lesen lässt. Zum Entstehungszeitpunkt des Gemäldes hatte Alexander Kanoldt eine Professur an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau inne, was seine Werke jedoch nicht vor der wenige Jahre später erfolgenden Diffamierung durch die Nationalsozialisten bewahren sollte.

Werkverzeichnis

Koch 29.4

Provenienz

Bankdirektor Ullmann, Breslau/Berlin; Leo Spik, Auktion 567, Berlin, 9./11. Dezember 1993, Lot 128; Galerie Sander, Darmstadt (mit rückseitigem Keilrahmenetikett); Privatsammlung Hessen

Literaturhinweise

Schlesische Monatshefte 6, 1929, mit Abb. S. 60; Hans Tietze, Neue Sachlichkeit in der bildenden Kunst, in: Westermanns Monatshefte 74, Bd. 148, Braunschweig 1930, S. 384, mit Abb.; Brigitte Fischer-Hollweg, Alexander Kanoldt und die Kunstrichtungen seiner Zeit, Diss. Ruhr-Universität Bochum 1971, Kat. Nr. M 69 (irrtümlich auf 1925 datiert), S. 71 f., 110; Die Welt, Nr. 295, Berlin 18.12.1993, S.E 7 mit Abb.; Kunstpreis-Jahrbuch 49, Bd.I, 1994, S. 688 mit Abb.; Weltkunst 64, 1994, mit Abb. S. 475; Elke Fegert, Alexander Kanoldt und das Stillleben der Neuen Sachlichkeit, Diss. Saarbrücken 2006 (Schriften zur Kunstgeschichte 21), Hamburg 2008, S. 349 ff., Abb. 70

Ausstellung

Breslau 1929 (Staatliche Akademie Kunst und Kunstgewerbe), Ausstellung der Lehrenden; München 1929 (Glaspalast), Neue Secession - Frühjahrsausstellung, Kat. Nr. 48