Rudolf Schlichter - Scala - image-1

Lot 2 D

Rudolf Schlichter - Scala

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 25.000 € - 30.000 €

Rudolf Schlichter

Scala
Um 1926

Aquarell, Gouache und schwarze Kreide auf leichtem Karton mit Trockenstempel "SCHOELLERSHAMMER". 64,8 x 49,8 cm. Unter Glas gerahmt. Unten rechts mit Bleistift signiert 'Rudolf Schlichter'. Rückseitig in Sütterlin betitelt 'Nutten' und von fremder Hand datiert "1920" sowie mit dem Nachlass-Stempel "NACHLASS R. SCHLICHTER" (nicht bei Lugt), dort handschriftlich nummeriert "B 179". - Das Papier gebräunt mit schmalem Lichtrand; die Darstellung farbfrisch erhalten.

"Oft möchte man vor Schlichters Aquarellen sagen: Bilderbogen für Erwachsene! (...) Da es echte Bilderbogen sind, so kommt es vor allem auf den Schnitt der Modekleider an. So trug man sich also! Soll es einmal heißen. Das Kostüm ist wichtig: der Mensch darunter, selbst in solcher Zeit, nebensächlich. Wir sind alle Kleiderträger. Die Herrschaft der Uniformierten wird soeben erst beseitigt. Man gebe gut acht: Schuhe der Damen sind wichtig. Ein erotisches Moment." - dies ein treffender Kommentar Theodor Däublers zu den Arbeiten Schlichters im Jahr 1921 (zit. nach: Ausst. Kat. Rudolf Schlichter, Tübingen/Wuppertal/München 1997/1998, S. 22). Die 1920er Jahre in Berlin sollten für den Zeichner und Maler biographisch wie künstlerisch einen kumulativen Höhepunkt darstellen: Schlichter schloß sich der Kommunistischen Partei an, illustrierte für den Malik-Verlag, traf auf George Grosz, mit dem er sich sehr eng befreundete, in der Galerie Burchard eröffnete früh seine erste Einzelausstellung. Er mischte mit und auf, DADA, Politik und linker Intellektualismus erforderten in einer durch den verlorenen Krieg entfesselten Welt eine unablässige geistige wie physische Unruhe, ja viel mehr noch, die ständige Provokation.
Um 1924 entstand sein Gemälde "Margot" (Stiftung Stadtmuseum Berlin), im Hintergrund auf dem Mauerwerk ein bezeichnender Plakatfetzen mit der Aufschrift "CIRCUS BUSCH/QUO VADIS". Diesem Individualporträt aus dem Umkreis der Prostitution, einem Milieu, das dem Künstler nur zu vertraut war, lässt sich auch das vorliegende Aquarell letztendlich zuordnen, das Schlichter rückseitig mit "Nutten" beschriftete. Inhaltliche Ambivalenzen spannen sich um das Motiv in formal simplifizierter Straßenkulisse, die sich wiederum lakonisch kondensiert in der angedeuteten Leuchtreklame "SCALA". Es ist wohl Berlins berühmtestes Varieté-Theater damit gemeint, das 1920 eröffnete.

Provenienz

Ehemals Sammlung Wolf Uecker, Nachlass

Literaturhinweise

Vgl. Ausst. Kat. Rudolf Schlichter, Eros und Apokalypse, Mittelrhein Museum Koblenz, 2015/2016, Kat. Nr. 24 mit Abb. S. 88, "Scala", 1926 (motivgleiche Bleistiftzeichnung in seitenverkehrtem Entwurf)

Ausstellung

U.a. Hamburg 1978 (Galerie Brockstedt), Rudolf Schlichter. Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken der 20er Jahre, Kat. Nr. 16 mit Abb.; Berlin/Stuttgart 1984 (Staatliche Kunsthalle/Württembergischer Kunstverein), Rudolf Schlichter, Kat. Nr. 117 mit Abb. 81; Tübingen/Wuppertal/München 1997/1998 (Kunsthalle/Von der Heydt-Museum/Städt. Galerie im Lenbachhaus), Rudolf Schlichter. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Kat. Nr. 85 mit ganzseitiger Farbabb.