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Lot 48 Dα

August Macke - Orientalisches Liebespaar

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 80.000 € - 100.000 €
Ergebnis: 118.750 € (inkl. Aufgeld)

August Macke

Orientalisches Liebespaar
1912

Gouache und schwarze Kreide auf feinem bräunlichen Papier, auf Karton aufgezogen 48,8 x 62,5 cm Rückseitig auf dem Karton mit dem ovalen Nachlass-Stempel (Lugt 1775b) sowie datiert, betitelt und bezeichnet "August Macke Paar in Blumen 1913. Farbige Zeichnungen Nr. 32". - In schönem farbfrischen Zustand. Geringfügig gebräunt.

Mackes Komposition "Orientalisches Liebespaar" entwirft in wenigen farbintensiven Linienzügen ein märchenhaft anmutendes Motiv. In der romantischen Gefühlsinnigkeit der Komposition fühlt man sich vage an Moritz von Schwind erinnert oder an Francesca da Rimini und an Bilder, die aus den Erzählungen von "Tausendundeine Nacht" aufsteigen. Die Liebenden sitzen geborgen inmitten von schattiger Vegetation, sie sind von ausgreifenden Blüten und Blattwerk umfangen - und im Weiteren dehnt sich eine skizzierte kleine Landschaft mit einem kubischen Haus vor lichtem Horizont. Macke verbindet die entrückte Liebesgeschichte mit abstrakt-ornamentalen Formen. Ihm gelingt eine intime wie harmonische Farbphantasie, die den Idealen des Blauen Reiter genau zu entsprechen scheint. Naturmystik, Exotik und der Entwurf eines künstlerischen wie irdischen Paradieses schwingen in dieser Komposition als lebendige Vorstellungen mit.
Das "Orientalische Paar" erweist sich zudem im Werk von Macke als ein wiederholtes Motiv. Auf einem kleinen 1911 gefertigten Hinterglasbild, das stilistisch an eine bunte Miniatur erinnert, findet sich das Paar vorformuliert. Die besondere Art der Zuwendung der sitzenden Figuren erklärt sich durch eine lange Perlenkette, die sie, einander verbunden, gemeinsam in Händen halten (vgl. Bartmann, op. cit., 1979, "Orientalisches Paar in Blumenlandschaft", s. Vergleichsabb.). Auch in der zarten Vorzeichnung unseres Blattes erkennt man diese noch. Das vorliegende Paarmotiv findet sich darüber hinaus identisch und prominent zitiert in dem Ölgemälde "Entwurf für einen Wandteppich mit orientalischem Liebespaar" von 1912 (Heiderich 435, 120 x 210 cm). Das außergewöhnlich große Gemälde hing einst, wie es Dietrich Erdmann in seinen Erinnerungen beschrieb, direkt im Parterre, im Eingangsflur des Bonner Domizils. Es ist heute in Staatsbesitz und schmückt das Bundeskanzleramt.
Peter Dering hatte seiner Studie "Exotische Motive im Werk von August Macke" (Dering, op. cit., 1995, S. 9) ein Motto des Dichters Fernando Pessoa vorangestellt: "Im Grunde reist man am besten, indem man fühlt." Auch die vorliegende Komposition strömt es aus: "Im Bild des(r) Liebenden konkretisiert sich eine Vorstellung von Menschen, die - in einer besonderen Ausnahmesituation - höchst konzentriert und in höchst gesteigerter Intensität das Dasein erleben. Macke bringt hier mit verblüffend einfachen motivischen Mitteln etwas zustande, was seinen spezifischen Beitrag zum gesteigerten Lebensgefühl des Expressionismus darstellt." (Dering, op. cit., 1995, S. 26). Zu einer glücklich empfundenen persönlichen Situation, die hier wohl auch ihren künstlerischen Ausdruck fand, gab es bei Macke heitere und verspielte Komponenten in diesem programmatischen Exotismus. Im Kontext von Plänen der befreundeten Familie Worringer zu einem neuen Teesalon in Köln sah Macke für drei Räume je verschiedene Dekorationen mit Motiven zu Rokoko, Orient und "Modernem Leben" vor. Der I. Weltkrieg verhinderte die Ausführung, aber Macke verschenkte vorauseilend noch 1913 Emmy Worringer seinen in farbigen Tinten gemalten "Indischen Brautzug" (auch "Orientalische Jagd", vgl. Heiderich Aquarelle 367).

Werkverzeichnis

Heiderich Aquarelle 209

Provenienz

Nachlass August Macke; Therkatz [möglicherweise der Schauspieler Rudolf T.], Düsseldorf (1957); Galerie Bargera, Köln (dort wohl in den späten 1960er Jahren erworben); seitdem Privatsammlung Rheinland

Literaturhinweise

Gustav Vriesen, August Macke, 2. erw. Aufl., Stuttgart 1957, Kat. Nr. 201 mit Abb. S. 284.; vgl. Dominik Bartmann, August Macke. Kunsthandwerk, Glasbilder, Stickereien, Keramiken, Holzarbeiten und Entwürfe, Berlin 1979, Farbtafel 9 und Tafel 21; Peter Dering, Winnetou und Kara Ben Nemsi? Exotische Motive im Werk von August Macke, in: Ausst. Kat. Kleine Fluchten. Exotik im Rheinischen Expressionismus, August Macke Haus, Bonn 1995, S. 8-43; vgl. Dietrich Erdmann, Meine Kinderjahre im August Macke Haus, in: August Macke Haus Bonn, Ausst. Kat. August Macke Haus, Bonn, 1996, S. 34 (Wiederabdruck in: Ausst. Kat. August Macke: Blickfänge in und um sein Bonner Haus, August Macke Haus, Bonn 2001, S. 118); Ursula Heiderich, August Macke, Gemälde. Werkverzeichnis, Ostfildern 2008, vgl. Nr. 435 mit Abb. S. 447 ("Entwurf für einen Wandteppich mit orientalischem Liebespaar", Ölgemälde, 120 x 210 cm, heute Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, Bundeskanzleramt Bonn/ Berlin)

Ausstellung

Bielefeld 1957 (Städtisches Kunsthaus), Macke, Aquarell-Ausstellung, Kat. Nr. 201 mit Abb. S. 30