Alexej von Jawlensky - Variation 1916 N. 4 - image-1

Lot 53 Dα

Alexej von Jawlensky - Variation 1916 N. 4

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 90.000 € - 120.000 €
Ergebnis: 112.500 € (inkl. Aufgeld)

Alexej von Jawlensky

Variation 1916 N. 4
1916

Öl auf Halbkarton. Auf Hartfaser (47,8 x 34,7 cm) montiert 39,8 x 27,3 cm Gerahmt. Unten links schwarz monogrammiert 'A.J.'. - Rückseitig auf dem Karton des Bildträgers mit Tinte von Lisa Kümmel bezeichnet "A. Jawlensky. 1916. N. 4." - In den Ecken mit Reißnagellöchern. - Am Unterrand mit kurzem oberflächlichem Kratzer und winzigen Farbausbrüchen sowie einer kleinen Retusche.

Jawlensky bezeichnete seine ab 1914 in der Schweizer Emigration entstandene erste große Motivserie als "Variationen über ein landschaftliches Thema". Wie in Rückbindung an cézannesque anmutendes, schöpferisches Arbeiten durch auserwählte Motivbeschränkung, Wiederholung und Abstraktion, folgt Jawlensky hier seinen eigenen Prinzipien der Synthese. Die hier neuartige Vereinfachung und Formalisierung, die in ihrer inneren Konsequenz für das Spätwerk bestimmend werden sollte, berührt noch heute durch den Umfang ihres Ausdrucks. Jede der "Variationen" verzaubert durch ihre höchst individuelle wie entgrenzende künstlerische Empfindung.
"Jawlenskys 'Variationen' der Jahre 1914-17 eignen deutlich Züge des Kontemplativen und der Versenkung, was sich im späteren Werk verdichtete. Es ging dem Maler um die farbigen Äquivalenzen für den inneren Klang der Naturerscheinungen. Hier taucht zum ersten Mal das Prinzip der 'offenen Serie' [Katharina Schmidt] auf. Eine Reihe von über hundert annähernd gleichgroßen, auf Karton gemalten Hochformaten kreist fast ausschließlich um immer das gleiche Landschaftsmotiv. Bezeichnend ist die Loslösung vom Querformat des traditionellen Landschaftsbildes. Alles zielt auf eine stärkere Konzentration des Geistigen. Die noch an die Fauves gemahnende, eruptive Farbigkeit der früheren Bilder hat sich - zuweilen nahezu pastellartig - in einen transparenten Gesamtklang gelichtet. Sparsam ins Bild integrierte Hinweise an Gegenständliches rufen gelegentlich Kandinskys frühe 'Improvisationen' in Erinnerung. Auch ein Echo von Delaunays 'Disques simultanés' scheint vernehmbar. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass in diesen 'Variationen' Anklänge an Musikalisches mitschwingen. Jawlenskys persönliche Affinität zur Musik war tiefgehend und hatte durch den Umgang mit Igor Strawinsky gerade während der Schweizer Jahre neue Anstöße erhalten. In der Ästhetik des 'Blauen Reiters' waren Ideen vom 'Gesamtkunstwerk' virulent, deren romantisch-symbolistische Wurzeln bis tief ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Skrjabins 'Prometheus' [5. Symphonie, 1910], in dem die Synchronie zwischen dem Musikalischen und wechselnden farbigen Beleuchtungen versucht wurde, war damals Gegenstand künstlerischer Diskussionen. [...] Der musikalische Urgrund im Sinne einer mystisch-innerlichen Gesamtschau der Welt schwang bei dem Maler stets [...] mit." (Michael Semff, Variationen-Meditationen. Zum Spätwerk Jawlenskys, in: Bildzyklen, Ausst. Kat. Staatsgalerie Stuttgart 1987, S. 17 f.).

Werkverzeichnis

Maria Jawlensky/Lucia Pieroni-Jawlensky/Angelica Jawlensky Bianconi Bd. IV, 2287 (Addendum) mit Farbabb. S. 425

Zertifikat

Wir danken Angelica Jawlensky Bianconi, Muralto, für freundliche Hinweise.

Provenienz

Richard Gerson, Berlin (späte 1930er Jahre); Privatsammlung Israel; Kunsthaus Nagel, Stuttgart, Auktion 29.3.1996, Lot 3077; Privatsammlung Hessen