Juan Gris - Raisins, carafe et livre - image-1

Lot 61 Dα

Juan Gris - Raisins, carafe et livre

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 300.000 € - 350.000 €
Ergebnis: 425.000 € (inkl. Aufgeld)

Juan Gris

Raisins, carafe et livre
1922

Öl auf Leinwand, doubliert 38 x 46 cm Gerahmt. Unten links grau signiert und datiert 'Juan Gris. 1922'. - An der oberen Malkante mit minimalen Retuschen.

In der kurzen intensiven Schaffenszeit, die ihm vergönnt war, konzentrierte sich Juan Gris motivisch hauptsächlich auf das Stillleben. Der Kubismus war dabei für ihn der einzige Weg, die von ihm und seinen Weggefährten angestrebte visuelle Essenz der gegenständlichen Welt bildlich umzusetzen. So schrieb er in einem Beitrag im Europa-Almanach von 1925: „Also ich kann im Augenblick nicht die Möglichkeit überhaupt nur in Betracht ziehen, sich mal auf Kubistische Manier, mal in einer anderen Kunstmanier auszudrücken, denn für mich ist der Kubismus keine Manier, sondern eine Ästhetik und selbst ein seelischer Zustand.“ (zit. nach: Daniel-Henry Kahnweiler, Einführung, in: Juan Gris, Ausst. Kat. Wallraf-Richartz-Museum, Köln 1965/66, o.S.). Sein Oeuvre weist eine Stringenz und Geschlossenheit auf, die von ausgeprägter Selbstreflektion und größter Leidenschaft für seine Sache zeugt. Dabei verfolgte Gris seinen ganz eigenen Weg innerhalb des Kubismus:
„Er knüpfte, im Gegensatz zu seinen Freunden, nicht bei Cézanne an. Er verkehrte die Methode des Meisters von Aix in ihr Gegenteil, indem er eine abstrakte architektonische Bildordnung entwarf, in die er die Gegenstände hineintrug. Er schuf keine Abstraktionen, er machte vielmehr das Abstrakte konkret: ‚Cézanne hat aus einer Flasche einen Zylinder gemacht. Ich mache aus einem Zylinder eine Flasche.' In seinen Stillleben, die nach dieser Methode entstanden, vereinigen sich Mathematik und Poesie wie in der Musik. […] Die ideale Form des Modells wird nicht länger in grüblerischer Analyse durch atomisierte Zerlegung ermittelt, sondern vom Maler aus der eigenen Vorstellung heraus gestaltet; im Gegensatz zu Cézanne geschieht das nicht ‚vor dem Motiv', sondern mit Hilfe der Erinnerung. Die sinnliche Erfahrung wird nicht mehr vergeistigt, eine geistige Vorstellung wird vielmehr sinnlich wahrnehmbar gemacht.“ (Karl Ruhrberg, in: Kunst des 20. Jahrhunderts, Bd. 1, Köln 2005, S. 74).
In unserem Stillleben aus dem Jahr 1922 fügt Gris das motivische Vokabular aus Karaffe, Buch, Fruchtschale, Zeitung und Pfeife zu einem in sich geschlossenen kristallinen Gebilde zusammen, das durch den umgebenden querovalen Rahmen wie ein Bild im Bild in besonderem Maße hervorgehoben wird. Scharfkantige und sanft geschwungene Formen laufen harmonisch ineinander, die Farbgebung in weißen und zartgrünen Tönen steht in spannungsvollem Kontrast zu dem Orangebraun des Rahmenovals.

Werkverzeichnis

Cooper/Potter 405

Provenienz

Galerie Kahnweiler, Paris, Archiv Nr. 7436 (rückseitig mit fragmentiertem Etikett auf dem Keilrahmen); Galerie Simon, Paris (1923); Galerie Mettler, St. Gallen (Nr. 431); Madame Vandervelde, Schweiz; Sotheby's London, Auktion 17. Februar 1932, Lot 136; Major Simmons, London; Christie's London, Auktion 27 März 1973, Lot 24; Galerie Georges Moos, Genf, Nr. 444 (rückseitiger Rahmenaufkleber); Galerie Krugier, Genf; Brook Street Gallery, London; Privatsammlung Tschechien

Literaturhinweise

L'Esprit Nouveau, Nr. 20, 1922, mit Abb.

Ausstellung

Paris 1923 (Galerie Simon), Nr. 46 (rückseitig mit fragmentiertem Etikett auf dem Keilrahmen)