Paul Klee - Geister als Akrobaten, 1918, 37 - image-1

Lot 81 Dα

Paul Klee - Geister als Akrobaten, 1918, 37

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 40.000 € - 45.000 €
Ergebnis: 82.500 € (inkl. Aufgeld)

Paul Klee

Geister als Akrobaten, 1918, 37
1918

Tuschfeder und Aquarell auf Papier, oben und unten ein Goldpapierstreifen angesetzt, auf Karton (31,8 x 18,7 cm) aufgezogen 25,2 x 11,9/12,4 cm Unter Glas gerahmt. Unten rechts innerhalb der Darstellung signiert 'Klee' (stark verblasst). Auf dem Karton mit Randleiste unten links datiert, mit der Werknummer bezeichnet und betitelt '1918 37 Geister als Akrobaten' (verblasst). - Einige wenige Stockfleckchen. Der Karton leicht gebräunt mit Lichtrand.

Das eminent zeichnerische Ingenium Paul Klees, seine phantastische bildnerische Poesie, heiter und ernst zugleich, entfalten sich auch in dieser kleinen Komposition. Sie entstand 1918 im letzten Kriegsjahr; im September 1919 wurde sie angekauft und gelangte unter Vermittlung des bekannten Neusser Rechtsanwaltes, Kunstsammlers und Mäzens Johannes Geller in den Besitz der von ihm 1915 maßgeblich initiierten "Gesellschaft zur Förderung deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts e.V. ". Andere Blätter dieser Zeit überließ der Künstler üblicherweise in München seinem neuen Galeristen Hans Goltz. Die aquarellierte Zeichnung Klees zählt zu der Gruppe der zwischen 1915 und 1918 entstandenen Arbeiten, sie situiert sich zwischen den bedeutenden Aquarellen der Tunisreise von 1914 und dem Wirken am Bauhaus, an das Klee im Oktober 1920 berufen wird.
"Motive, die Klee später ausarbeitete, erscheinen hier in provisorischer Gestalt. Symbole, die er später bewußt einsetzte, finden sich hier bereits in einer noch unbestimmten, romantischen Form. Was den Werken dieser Periode an Präzision ermangelt, machen sie durch eine reiche Suggestivkraft wett. Sie haben etwas Offenes, Geheimnisvolles und Unvollendetes, das innerhalb des Kleeschen Werkes fast einmalig ist. Die Kunsttheorie, die Klee in den zwanziger Jahren so systematisch entwickelte, erscheint in dieser dunklen Epoche seines Lebens noch wie ein Erkenntnisblitz, wie die Inspiration einer momentanen Eingebung." (Jim M. Jordan, Garten der Mysterien, Die Ikonographie von Paul Klees expressionistischer Periode, in: Armin Zweite, Hg., Paul Klee. Das Frühwerk 1883-1922, Ausst. Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1980, S. 227).
"Geister als Akrobaten" (der auf dem Unterkarton notierte Haupttitel) bzw. "Schwebende Geister Akrobaten" (Titel aus Klees handschriftlichem Oueuvre-Katalog) folgen möglicherweise nicht von ungefähr in der eigenhändigen Werknummerierung Paul Klees unmittelbar auf ein Aquarell mit dem Titel "Ostern". Vom Künstler angestückt mit Goldpapier, entwickelt sich auf diesem Blatt allerdings eine profane "Himmelfahrt" in quasi turnerischem Vollzug - fünf kleine groteske Akte balancieren in aberwitziger, künstlerischer Verrenkung wie barocke Putti immer höher, immer weiter, immer aufwärts, eingespannt in eine feine wie dünn sich fortspinnende Konstruktion, die einerseits als stützendes Element dieser Akrobatik zu lesen ist, andererseits sich zu einem clownesken Patchwork um die Figuren optisch verdichtet. Während unten die Leere lauert, erscheinen oben in der Spitze wimpelartige Symbole wie bei einem Flaggenalphabet und zwei Dreiecke, deren Spitzen aufeinander stehen, wie bei einem Stundenglas. Es droht offenbar eine nicht weiter mit ihren Konsequenzen ausgeführte Limitierung dieser Geisterstunde.

Werkverzeichnis

Cat. Rais. Paul Klee 1884

Zertifikat

Wir danken Eva Wiederkehr Sladeczek, Zentrum Paul Klee, Bern, für ergänzende Informationen.

Provenienz

Gesellschaft zur Förderung Deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts e.V., Neuss (Ankauf Sept. 1919); Johannes Geller, Neuss (ab 1919); Lempertz Köln, Kunst des 20. Jahrhunderts, Auktion 480, 3. Dezember 1964, Los 340; Privatsammlung Nordrhein-Westfalen/USA; seitdem Familienbesitz Hessen

Literaturhinweise

Johannes Geller, Verzeichnis der Sammlung des Rechtsanwalts Johannes Geller in Neuss, o. O. [gedruckt in München], 1943, Nr. 26; Peg DeLamater, Klee and India: Krishna Themes in the Art of Paul Klee, Diss. University of Texas, Austin 1991, S. 217; Christian Rümelin, Klees Umgang mit seinem eigenen Oeuvre, in: Paul Klee, Jahre der Meisterschaft 1917-1933, Ausst. Kat. Stadthalle Balingen 2001, S. 21-37 und 215-222, S. 219 Anm. 69; Max Tauch, Die Gesellschaft zur Förderung deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts e.V. und Paul Klee, in: Paul Klee im Rheinland. Zeichnungen, Aquarelle, Gouachen, Ausst. Kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2003, S. 45-52, S. 50-52; Michael Baumgartner, "ein ganz besonderes Schauspiel, die Menge und die unglaubliche Kühnheit auf dem hohen Seil". Paul Klees Faszination für den Zirkus und die Akrobaten, in: Paul Klee. Überall Theater, Ausst. Kat. Zentrum Paul Klee, Bern 2007, S. 227-233, S. 229