Lot 105 D

Ende der 1940er Jahre fand Serge Poliakoff seine eigene, unverwechselbare Bildsprache in der Abstraktion, nicht ausgehend von theoretischen Konzepten, sondern individuellen, emotionalen Erkenntnissen. „Es muss eine Ahnung unendlichen Formenreichtums gewesen sein, die den immerhin bereits 47jährigen Poliakoff dazu veranlasst hat, sich ohne jeden Kompromiss auf ein zugleich begrenztes wie unerschöpfliches Feld bildnerischer Möglichkeiten einzulassen. Nie sind Zweifel oder ein Streben nach neuen Ufern spürbar. Die stets sprudelnde Quelle seiner Bildfindungen belegt die hohe Tragfähigkeit seiner Konzeption. Weder erstarren seine Werke in geometrischer Strenge noch verharren sie in einem analytischen Konstruktivismus. […] Diese strukturellen Eigenschaften seiner Malerei stehen in unmittelbarer Beziehung zum großen musikalischen Talent Poliakoffs. Dem Gitarristen mit drei Jahrzehnten Berufserfahrung waren die Musiktheorie klassischer und moderner Musik selbstverständlich geläufig.“ (Nils Ohlsen, in: Serge Poliakoff. Retrospektive, Ausst. Kat. Kunsthalle Emden/Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, München 2007, S. 31f.).
Die vorliegende „Composition abstraite“ ist in den erdigen Tönen gehalten, die die meisten seiner frühen abstrakten Werke prägen. Im Gegensatz zu der sehr flächenbetonten Bildsprache, die ab den 1950er Jahren sein Oeuvre beherrscht, bestimmen hier freie, gestisch gesetzte Konturen die Komposition, die sich tiefenräumlich auszudehnen scheint. Weiße, gelbe und dunkelbraune Linien sowie tonal ähnliche Flächen überlagern und durchkreuzen sich zu einem auf die Bildmitte konzentrierten Geflecht.