Alfred Kubin - Radfahr-Klub Stahlrad - image-1

Lot 119 D

Alfred Kubin - Radfahr-Klub Stahlrad

Auktion 1162 - Übersicht Köln
08.12.2020, 18:00 - Evening Sale - Moderne und Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 30.000 € - 40.000 €

Alfred Kubin

Radfahr-Klub Stahlrad
1912/1918

Tuschfederzeichnung auf Bütten mit Wasserzeichen "GR. ULLERSDORF". 25,5 x 35 cm. Unten rechts mit Tinte signiert 'AKubin' (ligiert), unten links mit Bleistift betitelt 'Radfahr Klub Stahlrad.'. - In guter Erhaltung. Im Rand teils minimal berieben.

Zeichnerisches und erzählerisches Genie verbindet Kubin in diesem Blatt, das erstmals 1921/1922 im Simplicissimus reproduziert wurde: Alle Aspekte und Facetten der insbesondere um die Jahrhundertwende grassierenden Begeisterung für das Fahrradfahren und für den Radsport sind scheinbar berücksichtigt. Seit 1870 entstanden die ersten sportiven Klubs. „All Heil!“ war (das muß man heute wissen), vergleichbar dem „Mast- und Schotbruch“ für die Wassersportler, der Gruß- und Schlachtruf der „Velocipedisten“. Mit leichter Ironie lässt Kubin eine zirkusreife Parade von betagter Herrschaft, balanciertem Hochrad und - vorneweg - einer etwas hochnäsigen, emanzipierten Dame vorfahren. Letztere schien auf dem Rad immer noch relativ unerhört. Aber männliche Eitelkeiten werden genauso aufs Korn genommen, sei es der verbissene Raser im „92. Kilometer“, die Gruppe im steilen Berganstieg, der Gestürzte im fesch gepunkteten Hemd am Rande. In zeichnerischen Kürzeln wird der alkoholisierte Jubel der Fans auf der erhöhten Vereinsterrasse charakterisiert wie die eher unbeteiligte Nonchalance und Ruhe einer Erfrischung unter dem Sonnenschirm. Mensch und Vereinsbewegung, Mensch und technische Gerätschaft, beides zieht der Zeichner in einer Komposition zusammen, die in ihrem engen Geviert ein Maximum an Atmosphäre und Laune verströmt.
Kubin war als Zeichner und Illustrator auch ein begnadeter Schreiber, der seine Sujets intellektuell durchdrang und dem vor dem Hintergrund umfassender Bildung und weitgespannter Interessen unzählige Bonmots gelangen, die sofort einleuchten, etwa: „Das menschliche Wissen wurde ja nie mehr gefördert als durch folgerichtigen Ausbau von persönlich Einseitigem“. (Alfred Kubin 1927 in einem Artikel zu Julius Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, Wiederabdruck in: Alfred Kubin, Aus Meiner Werkstatt, Gesammelte Prosa, München 1973, S. 186).

Werkverzeichnis

Raabe 159 und 194 (die nach dieser Zeichnung entstandene Strichätzung); Abb. S. 102

Provenienz

Galerie Kornfeld 16. Juni 2006, Auktion 237, Lot 97; Privatsammlung, Westfalen

Literaturhinweise

Simplicissimus, Jahrgang 26, München 1921/1922, mit Abb. Nr. 12; Alfred Kubin, Fünfzig Zeichnungen, München, Verlag Albert Langen 1923, Tafel 17 mit ganzseitiger Farbabb.