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Lot 190 Dα

Adolf Hoelzel - Fenster "Lesende"

Auktion 1162 - Übersicht Köln
08.12.2020, 18:00 - Evening Sale - Moderne und Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 40.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 66.250 € (inkl. Aufgeld)

Adolf Hoelzel

Fenster "Lesende"
1926

Bleiverglastes Glasfenster, teils mit Schwarzlot bemalt 107 x 33 cm Gerahmt (jüngere Bleirahmung 109 x 36 cm), mit Aufhängevorrichtung. Unten rechts datiert und bezeichnet: "Ausgeführt W. v. [Werkstatt von ] A. SAILE STGT. 1926" - Stellenweise mit einigen kleinen fachmännischen Restaurierungen.

Wie Katharina Erling hervorhob, stammt das seinerzeit verschollen geglaubte Fenster - wie auch der dazugehörige angebotene Entwurf (siehe Los 191) - für das Bibliothekszimmer von Dr. Willi Fulda im Lauta-Werk, Lauta/Lausitz, aus Hölzels wichtiger und letzten Schaffensperiode. In zahlreichen Pastellen beschäftigte der Künstler sich damals bekanntlich mit den Gesetzmäßigkeiten und Wirkungen von Farben und Formen im Licht, erscheinen sie doch wie leuchtende abstrakte Entwürfe für imaginäre Glasfenster. Die Gestaltung mit transparentem Glas krönte seine künstlerischen Bestrebungen. „Denn wenn Hölzel eine absolute Malerei, in Analogie zur Musik ganz aus den Mitteln heraus entwickelt, oder, um einen anderen Terminus zu gebrauchen, eine ‚musikalische Malerei' vorgeschwebt hat: Hier haben seine Intentionen die reinste Verwirklichung gefunden, konnten Beabsichtigtes und Erreichtes zu weitgehender Deckung kommen“ (Wolfgang Venzmer, Adolf Hölzel, op. cit S. 127). 1973 hatte Adolf Saile von der Werkstatt Saile in Stuttgart den Verfasser des Werkverzeichnisses auf das Fenster im Bibliothekszimmer in Lauta, dem damaligen Aluminiumwerk „Albert Zimmermann“, aufmerksam gemacht. Es war nur in einem Schwarz-Weiß-Foto dokumentiert. Wie K. Erling hervorhob, ist das vorliegende, 1926 datierte Werk nach dem frühen Auftrag von 1918 für die Glasfenster-Gestaltung im Festsaal der Firma Bahlsen in Hannover „das erste in der traditionellen Art der Bleiverglasung ausgeführte Glasfenster von Adolf Hölzel. Wie der Forschung bisher unbekannt geblieben ist, leitet dieses Fenster Mitte der 20er Jahre eine erneute Auseinandersetzung Hölzels mit dem Medium Farbglas ein. (…) Kurz nach Fertigstellung des Fensters war es in Stuttgart ausgestellt.“ (zit. nach dem Kat. Moderne Kunst, Lempertz Auktion 21. 11. 1992, S. 46/47).
Die zeitgenössische Kritik zeigte sich von der Wirkung des kristallinen Werkes mit seiner rhythmisierten, wie metaphysischen Farblandschaft förmlich bezaubert. Hölzel gewichtete die pyramidale Komposition sowohl durch die Farbverteilung wie durch eine verschmelzende Integration von motivisch-figurativen und kosmisch-landschaftlichen Elementen. Das Stuttgarter Tagblatt vom 26. Oktober 1926 kommentierte: „Im Ausstellungsraum der Glasmalerei-Werkstätte von V. Saile, Neckarstraße, ist zur Zeit ein Glasfenster von Hölzel ausgestellt. Es ist herrlich. Hölzel hat seinerzeit mit seinen großen, in der Prachtentfaltung der Farbe ganz aus eigenen Kompositionsprinzipien geschaffenen Glasfenstern für Hannover viel Aufsehen erregt. Nun verwendet er in kleinerem Rahmen seine vielfach neuen und verfeinerten Erfahrungen über das Leben und Wirken der Farbe. (…) Als echte Kinder des Lichtes nehmen diese Farben jeden Strahl der Sonne auf und steigern ihn zu märchenhaftem Glanz. In Stufungen von warmem und kaltem Grün, vollem Rot und kühlem Rosa, dunkelglühenden Tönen und scharfem, hellem Gelb. Das ganze aber bekommt durch blaue Scheiben, die in größeren ovalen Formen mit sicherster Ökonomie verteilt sind, die bestimmende Note, die dieses Glitzern und Funkeln, Leuchten und symphonische Rauschen, schön und beruhigt zusammenfaßt. Es ist meisterlich.“ (Lempertz op.cit., S. 47)

Werkverzeichnis

Venzner G III 1.1 (dort irrtümlich "1929" datiert, "offenbar nicht erhalten")

Provenienz

Dr. Willi Fulda, Lauta-Werk, Lausitz; 1947 durch Erbschaft an den Vorbesitzer; Lempertz Auktion Moderne Kunst 684, 21.11.1992, Los 193; Privatsammlung Nordrhein-Westfalen; seitdem in Familienbesitz

Literaturhinweise

Wolfgang Venzmer, Die Glasfenster für Stuttgart und zeitgleiche Pastelle, in: Adolf Hölzel, Leben und Werk, Stuttgart 1982, S. 164-166 mit Anm. 317 S. 210, Abb. S. 273; vgl. Annika Plank, "Farben - Kinder des Lichts", Zu Adolf Hölzels Glasfenstern, in: Kaleidoskop Hoelzel in der Avantgarde, Auss. Kat. Kunstmuseum Stuttgart/ Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg, Heidelberg 2009, S. 90 ff., insbesondere S. 92 f.