Franz Wilhelm Seiwert - Drei Arbeiterköpfe - image-1
Franz Wilhelm Seiwert - Drei Arbeiterköpfe - image-2
Franz Wilhelm Seiwert - Drei Arbeiterköpfe - image-1Franz Wilhelm Seiwert - Drei Arbeiterköpfe - image-2

Lot 200 Dα

Franz Wilhelm Seiwert - Drei Arbeiterköpfe

Auktion 1162 - Übersicht Köln
08.12.2020, 18:00 - Evening Sale - Moderne und Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 90.000 € - 120.000 €

Franz Wilhelm Seiwert

Drei Arbeiterköpfe
1926

Öl und Leinwand auf dickem Malkarton 68,9 x 52 cm Gerahmt. Am Oberrand rechts der Mitte monogrammiert und datiert 'FWS 26' (in die feuchte Farbe geritzt). - Rückseitig handschriftlich in Blau bezeichnet "Jean Loosen" (Kölner Steinmetz und Freund von Seiwert). - Teils mit Craquelé und altersbedingten kleinen Randmängeln.

Nach der neben dem Monogramm befindlichen Datierung nähern sich die vormals im Oeuvre etwas früher eingeordneten „Drei Arbeiterköpfe“ von Franz Wilhelm Seiwert einem bedeutenden Werk von 1927, dem „Freitagabend“, einem ehemals im Wallraf-Richartz-Museum 1933 beschlagnahmten und im Bombenangriff zerstörten Gemälde (s. Vergleichsabb.). Es ist nicht nur der Profil-Typus des Mannes mit „Schnäuzer“ dort wiederzufinden. Seiwert erarbeitete sich in den 1920er Jahren ein gewisses Repertoire an Motivformeln und konstruktiven Figurationen, die er fast wie Schablonen abzuwandeln und zu kombinieren verstand. Dazu gehörten bei betonter Flächigkeit des Bildes vereinfachte und kontrastvoll eingesetzte Kürzel wie zirkulare Rundformen, eine betonte Vertikale, Horizontale und gestaffelte Diagonalen. Diese Elemente geometrischer Abstraktion wie auch die konsequent vereinfachten Umrisse und Einzeichnungen bei den Köpfen und Figuren, ihr dichter Wechsel in Frontal- und Seitenansicht, sind Stilmittel, die ursprünglich aus Seiwerts graphischer Arbeit und aus seiner künstlerischen wie politischen Propaganda herrühren. Hatte man sich schon seit 1919 bemüht, die „Bausteine für eine neue visuelle Sprache zu schaffen“, etwa Angelika Hoerle mit ihren Linolschnitten für ein „a b c Bilderbuch“ (vgl. „Angelikas Erbe“, in: Experiment Kalltalgemeinschaft, op. cit. S. 44), so blieb die Frage nach der Tragweite und der Akzeptanz der revolutionären Kunst der „Kölner Progressiven“ in der Gesellschaft ein Dauerthema, das sich auch in den Artikeln der Zeitschrift „a-z“ (1929-1933) niederschlug. Im Medium des Ölbildes experimentierte Seiwert seit Mitte des Jahrzehnts wie auch in „Drei Arbeiterköpfe“ von 1926 nicht nur mit den gewonnenen Elementen einer neuen Bildsprache, sondern auch mit Maltechnik und Bildgrund. Seiwerts Betonung von Materialitäten, von Farben und taktilen Oberflächen, zeichnet ihn aus und stellt sein Werk mitten in den Kontext der internationalen künstlerischen Avantgarde dieser Jahre.
Siehe weitere Werke von F.W. Seiwert in unserer Auktion 1163 am 9. Dezember 2020, Lose 493-499.

Werkverzeichnis

Bohnen 59 (dort "Um 1924/25")

Zertifikat

Wir danken Uli Bohnen, Eschweiler, für freundliche Hinweise; mit seiner Expertise vom 30. Oktober 2020

Provenienz

Jean Loosen (wahrscheinlicher Erstbesitzer); Galerie Brockstedt, Hamburg; Sammlung Prof. Dr. Stanislaw Karol Kubicki, Berlin; seitdem in Familienbesitz

Literaturhinweise

Reinhard Schilf (Hg.), Experiment Kalltalgemeinschaft- Die Kölner Progressiven in Simonskall 1919-1921, Weilerswist 2008, vgl. Angelikas Erbe, S. 44/45; vgl. Lynette Roth, Handwerk oder "Das Werk der Hand", in: 1920-33, köln progressiv, seiwert-hoerle-arntz, Katalogbuch, Museum Ludwig, Köln 2008, S. 70 f.

Ausstellung

Köln 1978 (Kölnischer Kunstverein), Franz W. Seiwert 1894-1933, Kat. Nr. 59 mit ganzseitiger Abb. S. 95 (rückseitig mit zwei Ausstellungsetiketten); Recklinghausen 1980 (Ruhrfestspiele), Aus Schacht und Hütte. Ein Jahrhundert Industriearbeit im Bild 1830-1930, Kat. Nr. 162 mit Abb. (auf dem Rahmen mit einem Transport-Etikett)