Quinten Massys
Betende Maria
Öl auf Holz. 44 x 33,5 cm.
Vor einem dunklen Hintergrund zeigt die kleine Tafel das Brustbild Mariens mit gefalteten Händen. Meisterlich ausgeführt sind das zarte Inkarnat ihres Gesichtes und der Hände, das Weiß des um den Kopf geschlungenen und im Nacken gebundenen Tuchs sowie das strahlende Blau Ihres Mantels mit goldener Stickerei am Halsausschnitt und den Ärmeln. Die Tafel stellt sich als ein hervorragendes Werk der Übergangszeit zwischen spätgotischer und Renaissancekunst in den Niederlanden im frühen 16. Jahrhundert dar.
In ihrer Monografie über Quinten Massys hat Andrée de Bosque 1975 den formalen und ikonographischen Zusammenhang des Bildes mit einem Flügel eines Diptychons dieses Malers im Museo Nacional del Prado erkannt. Der gleiche Bildausschnitt und eine nahezu identische Darstellung Mariens ist dort nur seitenverkehrt dargestellt. Daraus ist zu schließen, dass es auch für das vorliegende Bild einen „Segnenden Christus“ als Gegenstück gegeben haben wird. Ein weiteres Bilderpaar mit dem gleichen Motiv von Quinten Massys, das aber früher zu datieren ist, befindet sich im Königlichen Museum von Antwerpen.
De Bosque hat unser Bild wohl im Original gesehen. Sie beschreibt es in ihrem Buch ausführlich und fasst ihr Urteil so zusammen: „La Vierge de la collection allemande est d´un qualité superieure à celle du Prado et se rapproche, bien qu´elle soit d´un style archaisant, de la Vierge du Louvre de 1529“. Während sie bei dem Madrider Diptychon - ursprünglich aus dem persönlichen Besitz von König Philipp II. von Spanien stammend - auch die Hand des Schülers und Sohnes Jan Massys zu erkennen glaubt, sieht sie unser Bild als ein eigenhändiges Werk des Vaters. Diesem Urteil schlossen sich Ekkehard Mai und seine Mitarbeiterin Petra Müller 1993 (op. cit.) an und übernahmen die Zuschreibung an Quinten Massys.
Larry Silver ging in seiner 1984 erschienenen Monographie über Quinten Massys hingegen auf unser Bild zunächst nicht näher ein und erwähnt es lediglich im Zusammenhang mit dem Madrider Diptychon - für ihn ein Werk Quintens - als eine Kopie. Nach einer aktuellen hochauflösenden Photographie bestätigt Larry Silver nun hingegen die Zuschreibung an den Antwerpener Maler und bezeichnet das Bild sogar als „a major work by Massys“, das er in die späten 1520er datiert.
Die zahlreichen Andachtsbilder, die dieser bedeutende Antwerpener Meister neben großen Altarbildern ausführte, sind Heiligen- und vor allem Madonnendarstellungen. In kleinem Format wurden diese Bilder für bürgerliche Auftraggeber zur persönlichen Andacht hergestellt. Dabei wurde die Madonna entsprechend ihrer theologischen Rolle als Fürsprecherin zwischen dem Betenden und dem Gottesssohn als Vermittlerin verehrt. Das Sujet bearbeitete Massys besonders häufig im letzten Jahrzehnt vor seinem Tod, was auch zur Datierung unseres Andachtsbild von Larry Silver in das Spätwerk des Künstlers passt.
Provenienz
Kunsthandel P. De Boer, Amsterdam. – 547. Lempertz-Auktion, Köln, 20.-22.11.1975, Lot 117. – H. Becker, Dortmund. – Hans M. Cramer, Den Haag, 1977.
Literaturhinweise
Andrée de Bosque: Quentin Metsys, Brüssel 1975, S. 252-3, Nr. 316, Abb. S. 251 und S. 390. – Hans M. Cramer, Addendum 3, Den Haag 1977, Nr. 107, mit Abb. – Larry Silver: The Paintings of Quinten Massys with Catalogue Raisonné, Oxford 1984, S. 230, unter Nr. 49. – Petra Müller, in: Ekkehard Mai (Hg.): Das Kabinett des Sammlers, Köln 1993, S. 28-30, Nr. 12, mit Abb.