Lot 61 D

Das sogenannte Haus der Mimi Pinson an einer Straßenecke der Rue de Mont-Cenis im Montmartre war eines der beliebtesten Motive Maurice Utrillos. Immer wieder stellte der Künstler die Straßenecke mit den markanten Gebäuden dar, bevorzugt im Winter mit einer dünnen Schneedecke auf Dächern und Straßenpflaster - eine Situation, die die gestaffelten architektonischen Formen mit den Dachschrägen, Gauben und Schornsteinen besonders prägnant zur Geltung kommen lässt. In den meisten dieser Ansichten wählte Utrillo einen etwas vom Haus entfernten Standpunkt und ein querrechteckiges Bildformat.
In der hier angebotenen Gouache findet sich der Betrachter jedoch unmittelbar vor dem Gebäude wieder, die abfallende Gasse vor ihm eröffnet einen herrlichen Blick auf die Fassaden der tieferliegenden mehrstöckigen Gebäude und weiter über das Häusermeer von Montmartre. Das Hochformat, mit dem der Künstler hier arbeitete, steigert noch die Sogwirkung, die von dieser Blickachse ausgeht. Obwohl sich Utrillo in seiner Farbpalette ganz auf Weiß-, Grau- und Brauntöne sowie terrakottafarbene Akzente beschränkte, schuf er eine lichte, frische Bildstimmung.
Mimi Pinson war keine historische Person, sondern eine fiktive Figur, die Alfred de Musset in seinem gleichnamigen Gedicht von 1845 beschrieb. Sie war die Verkörperung der sogenannten Grisette, einer jungen, unverheirateten Frau, arm und von geringem gesellschaftlichem Status, die kokett und ausgelassen am Leben der Pariser Bohème teilnahm. Das berühmte Haus, das nicht nur im Werk Utrillos, sondern auch auf historischen Pariser Postkarten allgegenwärtig ist, wird ihr der Legende nach zugeschrieben.