Otto Dix
Bodenseelandschaft mit Blick auf Steckborn (Blick von der Höri auf Steckborn)
1944
Öl und Tempera auf Leinwand, auf Holz aufgezogen 80,2 x 100,2 cm Gerahmt. Unten rechts braun mit Künstlersignum versehen und datiert 'Dx 44' (ligiert). Rückseitig mit Bleistiftnotizen zu den verwendeten Farben. - Die oberen Ecken unmittelbar zu den Kanten und im unteren rechten Bildbereich mit geringfügigen Retuschen.
Unstreitig müssen die während des Rückzugs in die sogenannte "innere Emigration" geschaffenen Gemälde der 1930er/1940er Jahre als zweiter, wenn auch völlig anders gearteter Höhepunkt im malerischen Werk von Otto Dix gelten. Denn um der Aufmerksamkeit und Beobachtung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, hatte sich der Künstler schon wenige Wochen nach seiner zwangsweisen Entlassung aus dem Lehramt an der Dresdner Akademie am Bodensee niedergelassen und konzentrierte sich hier ganz auf die Landschafts- und Porträtmalerei. Dabei vertiefte er sich in das Studium der mittelalterlichen Kunst, speziell der sogenannten Donau-Schule und lernte ihre anspruchsvolle Technik souverän zu beherrschen. Zu der handwerklich außerordentlich gediegenen Ausführung mit ihrer zeichnerischen Genauigkeit, die nichts Vages und Ungefähres zuließ, und zu dem harmonischen Kolorit, mit denen die Bilder der 1920er Jahre schon gemalt worden waren, kamen nun noch eine Luzidität und eine Leuchtkraft der Farben, die sich der alten Lasurtechnik der mittelalterlichen Meister verdankte und die den Bildern jene Kraft und Großartigkeit verlieh, wie sie schon den Schöpfungen Altdorfers, Cranachs und Baldung-Griens eigen waren.
Von erhöhtem Betrachterstandpunkt schweift der Blick über die in vollem Korn stehenden Felder und saftigen Wiesen bis zu der kleinen Bucht des Bodensees auf das weit entfernt gegenüber Gaienhofen liegende Steckborn auf der Schweizer Seite. Die Großansichtigkeit des diesseitigen Ufers steht in einem perspektivischen Ungleichgewicht zur Kleinheit der städtischen Vedute; ein optischer Trick der Malerei des Goldenen Zeitalters zur Darstellung der sogenannten Weltbilder. Optische Phänomene über der Wasserfläche führen in eine luzide schimmernde, unendliche Weite. Gleichzeitig rundet sich die Komposition durch Wolken-Baumgipfel-Äquivalente und formt einen ovalförmigen Seeabschnitt in der Bildmitte. Die außergewöhnliche Ruhe der weit ausgebreiteten Landschaft erfährt durch ein vermeintlich heraufziehendes Unwetter eine Irritation - ikonographisch gleichsam die politische Situation miteinbeziehend.
Werkverzeichnis
Nicht bei Löffler
Zertifikat
Wir danken Rainer Pfefferkorn, Vaduz, für freundliche Hinweise. Das Gemälde ist im Archiv der Otto Dix Stiftung, Vaduz, unter der Nummer L 1944/30 registriert.
Provenienz
Privatsammlung Baden Württemberg; Lempertz, Auktion Moderne Kunst, Köln 22.11.1990, lot 903; Sammlung Wallmann, Heppenheim; Privatsammlung Süddeutschland
Ausstellung
Bietigheim-Bissingen 1993 (Galerie Bayer), Abb. S. 137; Singen 1995 (Hegau Bodensee Galerie), Otto Dix - Ein Malerleben im Hegau und am Bodensee, S. 25; Otto Dix; Krems 2009 (Kunsthalle), Otto Dix, Ausst. Kat. mit Abb. S. 99