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Lot 40 Dα

Exzeptionelle Sanduhr

Auktion 1182 - Übersicht Köln
15.07.2021, 11:00 - The Exceptional Bernard De Leye Collection
Schätzpreis: 400.000 € - 450.000 €

Exzeptionelle Sanduhr

Silber, teilweise vergoldet, Lapislazuli, Amethystpuder, farbloses gewölbtes Glas, farbiges Maleremail auf Kupfer. Marken: BZ Rom (auf der Basis, dem Sockel des Atlas und dem Globus). H 83, B 26,5, T 26 cm. Die originale Transportkiste aus massivem Nussholz, mit schmiedeeisernen Scharnieren und einem Riegel, innen gepolstert und mit rotem (späterem) Damast ausgeschlagen, H 61,3, B 32, T 31,5 cm.
Rom, 1589.

Die Kolben der Sanduhr befinden sich auf einem hohen, reich gegliederten Pfeilerpostament. Die vier Seiten sind dekoriert mit durchbrochenen Reliefapplikationen in Silber und Vermeil über Lapislazuliplatten, auf den Ecken sind plastische Hermen über gegabelten Voluten appliziert. Um die vier Seiten der Basis ist ein Schriftband in lateinischen Versalien graviert: "XISTVS-V-SACR-CONN-FERDINANDI-I-DE-MEDICIS- ET-CRISTINAE-DE-LORENA-BEN./ SICVT GRANA SILICIS IN HVIVS CLEPSJDRAE/ BINIS VITREIS AMPVLLIS SIVNT MENTES IN VNVM/ ET-CORPORA-CONIVNCTA-VSQVE-DVM-VIVATIS-ET-VLTRA" (So wie die Sandkörner in den beiden Glasampullen der Sanduhr vereint sind, so lasst uns in einem Geist und im Körper vereint sein im Leben und darüber hinaus). Auf allen vier Seiten des Postaments befinden sich große Kartuschen um ovale Emailplaketten mit dem Wappen Papst Sixtus' V., dem Medici-Wappen, dem Wappen des Königreichs Frankreich und einer Plakette mit der Beschriftung "Rom 1589". Rundbögen mit Muschelornamenten überwölben die Wappen.
Auf den Ecken des Sockels der Sanduhr sitzen vier plastische Putti, von beschrifteten Banderolen umschlungen und Attribute haltend:
1. Putto mit Sonnenscheibe und Banderole „SOL LUVCET OMNIBVS“ (Die Sonne scheint für alle). 2. Putto mit Buch und Banderole „NVLLI SAPERE CASV OBTIGIT“ (Keiner wird durch Zufall weise). 3. Putto mit Zirkel, Winkelmaß und Banderole „EST MODVS IN REBVS“ (Maß ist in allen Dingen). 4. Putto mit Schere, Faden und Banderole „TVAM NESCIS“ (Du kennst Deine Stunde nicht).
Über der Sanduhr auf einem flachen Rundgefäß mit umlaufender reliefierter Blattvolutenranke steht ein vollplastischer bärtiger Atlas, auf dem gebeugten Rücken die Weltkugel tragend. Um den Äquator zieht sich ein vergoldetes profiertes Band mit den römischen Stundenziffern. Die obere Hemisphäre ist mithilfe eines Scharniers aufklappbar. Ein Knauf markiert das obere Ende der Erdachse, darunter ist ein Stundenzeiger befestigt.



Die Sanduhr ist nicht nur ein bedeutendes historisches, sondern auch ein bedeutendes kunsthistorisches Objekt. Die gegenreformatorische Emblematik wird von einer üppigen barocken Gestaltung getragen. 1585 wurde Papst Sixtus V. (1521 - 1590) in sein Amt gewählt. Er war der erste Papst, in dessen Studienzeit das Konzil von Trient fiel, das seinen Lebensweg und seine Regierungszeit stark prägte. Das ikonographische Programm der Sanduhr hatte der Papst wahrscheinlich persönlich zu Ehren des Großherzogs der Toskana in Auftrag gegeben. Das auf dem Sockel eingravierte Zitat beschwört die guten Beziehungen, die nicht nur zwischen Ferdinand I. und Christine von Lothringen bestehen sollten, sondern auch zwischen Papst Sixtus V. und dem Großherzog der Toskana. Denn nach der Ermordung von König Heinrich III. von Frankreich unterstützte Ferdinand I. 1589 Heinrich IV. von Frankreich (aus Navarra und protestantisch) in seinem Kampf gegen Spanien und die Katholische Liga. Daher wählte Sixtus V. ein Objekt, das symbolisch an die Treue Ferdinands zu Rom appellieren sollte, einen Vanitas-Charakter hat und gleichzeitig auf das naturwissenschaftliche Interesse Ferdinands I. anspielt.

Dabei war Ferdinando I. de' Medici (1549 - 1609) ein Kirchenmann. Er wurde 1562, im Alter von 14 Jahren, zum Kardinal ernannt, allerdings ohne die Priesterweihe empfangen zu haben. Nach dem Tod seines älteren Bruders Francesco 1587 wurde er Großherzog der Toskana, doch er behielt die Kardinalswürde bis zu seiner Hochzeit. Auf Wunsch der französischen Königin Catherine (geborene Caterina Maria Romula de' Medici) wurde er per procurationem am 8. Dezember 1588 in Schloss Blois mit deren Enkelin Christine de Lorraine (1565 - 1636) vermählt. Catherine verstarb noch vor Unterzeichnung des Ehevertrags. Sie hinterließ Christine als ihrer Haupterbin ein ungeheures Vermögen und auch einen großen Kunstschatz, zu dem die berühmten Valois-Tapisserien zählen, die sich heute in den Uffizien in Florenz befinden. Die französische Prinzessin sah ihren Ehemann, den Großherzog, das erste Mal am 28. April 1589 bei ihrer Ankunft in Pisa. Im Anschluss begannen die prunkvollen mehrtägigen Hochzeitsfeierlichkeiten.

Provenienz

Ehemals Sammlung Tammaro de Marinis (1878 - 1969).

Literaturhinweise

Abgebildet und beschrieben bei Rossi, Capolavori di oreficeria italiana. Dall' XI al XVIII secolo, Mailand 1974, Abb. 38, S. 46.