Adriaen Pietersz van de Venne - Noot breeckt wet – Ein Paar, beladen mit Hausrat und zwei kleinen Kindern, zieht über Land, gefolgt von weiteren Habenichtsen - image-1

Lot 1537 Dα

Adriaen Pietersz van de Venne - Noot breeckt wet – Ein Paar, beladen mit Hausrat und zwei kleinen Kindern, zieht über Land, gefolgt von weiteren Habenichtsen

Auktion 1185 - Übersicht Köln
20.11.2021, 11:00 - Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen 14.-19. Jh.
Schätzpreis: 70.000 € - 90.000 €
Ergebnis: 93.750 € (inkl. Aufgeld)

Adriaen Pietersz van de Venne

Noot breeckt wet – Ein Paar, beladen mit Hausrat und zwei kleinen Kindern, zieht über Land, gefolgt von weiteren Habenichtsen

Öl auf Holz. 47 x 65 cm.
Unten rechts Reste einer Signatur: ...Venne.

Adriaen van de Venne war ein vielseitiger Künstler, der als Dichter, Illustrator und Maler tätig war. Von seinem Lehrer Hieronymus van Diest erlernte er die Technik der Grisaillemalerei, eine Technik, die er während seiner gesamten Laufbahn mit großem Erfolg verwendete. Tätig in Middelburg und später in Den Haag, malte van de Venne mythologische Themen und Landschaften in der Tradition von Jan Brueghel I. Am bekannesten wurde er aber durch seine Illustrationen, die die Schriften von moralisierenden Dichtern wie Jacob Cats oder Johan de Brune ausschmückten.

Die humorvolle, monochromatische Darstellung einer vagabundierenden Familie ist ein charakteristisches Beispiel der Kunst van de Vennes. Diese aussergewöhnliche Bilderfindung folgt einer reichen niederländischen Bildtradition von Darstellungen der unteren Gesellschaftsschichten und moralisierender Sprichwörter. Nach seinem Umzug nach Den Haag im Jahr 1625 entwickelt Venne komische und ironische Szenen des einfachen oder bäuerlichen Lebens unter Verwendung der für ihn typischen Maltechnik en grisaille oder en brunaille.

Zu fast all diesen Szenen fügte Venne ein zeitgenössiches Sprichwort oder eine Redewendung hinzu. Am unteren Rand der vorliegenden Tafel findet sich ein erläuterndes Spruchband. Der Titel „Noot breeckt wet“ („Not bricht Gesetz“), liest sich als Kommentar zur hier gezeigten Szene: unter schwierigen Umständen werden die normal geltenden Regeln gebrochen. Das zerlumpte Paar nutzt seinen Hausrat als Kleidung und Kopfputz, die Mutter säugt ein Kind im Gehen und lässt zugleich das andere aus dem Topf löffeln. Eine zusätzliche ironische Auslegung des Sprichwortes ergibt sich durch die Szene im Hintergrund, wo ein auf dem Bootsrand sitzender Mann ungeniert seine Notdurft verrichtet. Auch „hohe Not“ bricht die Regel. Die alte Redensart „noot breeckt wet“ hat Venne auch in sein Buch „Sinne-vonck op den Hollandschen Turf“ aufgenommen, eine ironische Hommage an die Haager Messe (Torfmarkt) aus dem Jahr 1634.

Von dem bislang unveröffentlichten Gemälde gibt es zumindest eine weitere Version, deren Verbleib unbekannt ist. Dieses signierte und 1633 datierte Bild wurde von Annelies Plokker veröffentlicht (Adriaen Pietersz. van de Venne, de grisailles met spreukbanden, Leuven/Amersfoort 1984, Nr. 75, S. 190-191) und stammt möglicherweise aus der Sammlung Kohen (siehe Auktionskatalog Dorotheum, Wien, 7. Mai 1923, Lot 40a). Die Darstellung, von der sich auch ein Foto im Archiv des RKD findet, unterscheidet sich durch einige Details, insbesondere den rechten Handschuh des Mannes und die Öffnung des Topfes in der Hand der Frau. Mag. Christina Felzmann hat einen ausführlichen Recherchebericht zur Provenienz des vorliegenden Gemäldes erstellt (Wien, 15. September 2021), der eingesehen werden kann.

Provenienz

Nachlass Georg Zahn (Stuttgart?), 19. Jahrhundert (verso Klebeetikett). - Spätestens seit 1960 bis 1971 in süddeutscher Privatsammlung. - Seitdem in Erbfolge.