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Lot 2003 Dα

Südniederländischer Meister (Brüssel?) um 1500 - Die Messe des Heiligen Gregor

Auktion 1197 - Übersicht Köln
21.05.2022, 11:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 120.000 € - 150.000 €
Ergebnis: 212.500 € (inkl. Aufgeld)

Südniederländischer Meister (Brüssel?) um 1500

Die Messe des Heiligen Gregor

Öl auf Holz (parkettiert). 79 x 61,5 cm.

Der Versteigerungserlös dieses Lots sowie die Kommission von Lempertz werden für humanitäre Hilfe in der Ukraine gespendet.

Diese figurenreiche und farbenprächtige Darstellung eines der faszinierendsten religiösen Themen des späten Mittelalters zeigt das Wunder der Messe des Hl. Papstes Gregor des Großen. Dargestellt ist der vor einem Altar kniende Papst, der seine Tiara auf einem niedrigen Schränkchen, das durch ein gelbes Tuch verdeckt wird, abgelegt hat. Papst Gregor kniet vor dem Altar, seine Arme in Anbetung ausgebreitet. Er verehrt Jesus, der vor ihm in der Gestalt des Schmerzensmannes erscheint, sich mit dem Kreuz aus dem Sarg erhebt, umrahmt von fünf Engeln, die die Arma Christi – die Zeichen der Passion – Lanze, Schwamm auf einem Rohr, Geiselsäule, Nägel, Geißel und Rute tragen. Jesus hält, nur mit dem Lendentuch bekleidet und ohne Dornenkrone, mit der linken Hand das Kreuz, und umfasst mit seiner rechten Hand mit gespreizten Fingern die Seitenwunde, aus dem das Blut hervorquillt und in den Messkelch auf dem Altartisch fließt.

Anlass für diese Darstellung bilden die Zweifel eines der bei der Messe Anwesenden an der Verwandlung von Brot und Wein während des Messopfers in Leib und Blut Christi. Papst Gregor bittet daraufhin um ein Zeichen, worauf der Schmerzensmann auf dem Altar erscheint und das Wunder des Messopfers unter Beweis stellt. Christus erscheint fast nackt, als Halbfigur, in einer Form, die vielfältige Bezüge zur Passion aufweist. Durch seine Präsenz und sein in den Kelch fließendes Blut stellt Christus die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut während des Messopfers unter Beweis. Auf das Messopfer beziehen sich auf dem Altartisch Patene und Kelch, Palla und Ampullen mit Wasser und Wein. Gleichzeitig verweist der aus dem geöffneten Sarg sich emporhebenden Schmerzensmann auf die Auferstehung Christi, und somit auf die Erlösung der Menschheit durch den Kreuzestod Christi. Dieser ist dargestellt auf der Kanontafel des links auf der Altarmensa auf einem Pult liegenden Missales. Auf die Fürbitte des Papstes Gregorius wird in dem Text „SA(NCTVS) GREGORIAN(VS) ORA P(RO NOBIS)“ („Hl. Gregorius, bitte für uns“) auf dem Stoffantependium verwiesen.

Papst Gregorius, selbst einer der vier Kirchenväter, wird von den drei anderen begleitet: rechts vorne der Hl. Hieronymus als Kardinal mit seinem Attribut, dem Löwen, im Vordergrund in der Mitte. Rechts hinter Hieronymus mit dem von einem Pfeil durchbohrten Herz als Attribut der Hl. Augustinus, Bischof von Hippo. Am linken Bildrand der Hl. Ambrosius, Bischof von Mailand und ein weiterer heiliger Kardinal. Der Papst, gehüllt in einer kostbaren Kasel aus Brokat mit gestickten Bordüren, die Christus Salvator und die Apostel zeigen, wird assistiert von zwei Heiligen Diakonen als Messdiener, dem Hl. Laurentius mit seinem Attribut, dem Rost, rechts und dem Hl. Stephanus, erkennbar an den drei Steinen zu seinen Füßen. Beide tragen Dalmatiken aus demselben Brokatstoff wie die Kasel des Papstes. Auf dem Flur im Vordergrund ist dem Löwen ein Weihwassereimer mit Aspergillum, verziert in den Formen der Frührenaissance.

Der Altarraum wird begrenzt von Chorschranken. Davor hängt ein grüner Samtvorhang, der rechts von einem Gläubigen zur Seite geschoben wird, sodass er und die Gläubigen hinter ihm in den Altarraum gelangen können, damit sie mit eigenen Augen das Wunder der Verwandlung sehen können, das nach der Überlieferung mit einem großen Ablass verbunden war für alle, die ihre Sünden bereuen und vor dem Schmerzensmann betend niederknien. Hierauf bezieht sich auch der Text auf dem Antependium, der Papst Gregor als Vermittler ausweist. Das Thema geriet mit dem stark verbreiteten Ablasswesen im frühen 16. Jahrhundert stark in die Kritik, sodass auch die populäre Darstellung der Messe des Papstes Gregors mit der Verbreitung der Reformation verschwand.

Die gut erhaltene Tafel wurde von der Forschung bis heute kaum beachtet. 1940 bereits einmal bei Lempertz zur Versteigerung angeboten, verschwand sie viele Jahre in der Versenkung, bis zum Jahr 2004, als sie auf der Sächsischen Landesausstellung (vgl. Literatur) gezeigt wurde. Die künstlerische Provenienz der Tafel ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Das kostbar wirkende Gemälde mit der großen Farbenpracht, mit dem kostbaren Brokat der Gewänder, dem kostbaren Gold des Sarges und den liturgischen Geräten erinnert an die stupende Pracht in einigen Werken des Kölner Meisters des Barthomäusaltares. Zeitgleich scheint sie aber in einem anderen künstlerischen Umfeld entstanden zu sein. 1999 hat Edwin Buysen (briefl. Mitteilung 1.11.1999 an das LVR-Landesmuseum Bonn) sie in Verbindung gebracht mit einem großformatigen Gemälde in Bonn mit der Pfingst-Darstellung, datiert 1519, die als Arbeit eines Südniederländischen Meisters gilt (Kat. Gemälde bis 1900, Rheinisches Landesmuseum Bonn 1982, S. 508-509). Zu diesem Gemälde gibt es eine Verwandtschaft in Aufbau und Anordnung der Figuren im Vordergrund, sowie in der Art und Weise, wie der Vordergrund durch großformatige Gegenstände belebt wird.

2004 hat Gregor J.M. Weber für eine Entstehung im Umfeld des Brüsseler Malers Bernaert van Orley plädiert, wobei er sich vor allem auf die Figuren von Christus und den Engeln bezieht. Bezüge zum Werk van Orleys gibt es allerdings nur zu dessen Frühwerk, bevor freiere Strömungen der Frührenaissance in sein Werk einfließen. Die kompakte, geschlossene Anordnung der Figuren weist auf eine Entstehung kurz nach 1500, eher um 1510. 1940 wurde die Tafel als Rheinisch eingestuft, wozu es viele Bezüge gibt. Die Palette und die flüssige Malart weisen allerdings eher auf eine Entstehung in den Südlichen Niederlanden, wahrscheinlich in Brüssel, kurz nach 1500 hin.

Wir danken Drs. Guido de Werd, Köln, für diesen Katalogbeitrag.

Provenienz

408. Lempertz-Auktion, Köln, 26.-27.4.1940, Lot 129. - DELI-collection, Monaco.

Literaturhinweise

Ausst.-Kat.: Glaube und Macht. Sachsen im Europa der Reformationszeit. 2. Sächsische Landesausstellung Torgau, Schloss Hartenfels 2004, hrsg. v. Harald Marx und Eckhard Kluth, Dresden 2004, S. 41-42, Kat. Nr. 5.

Ausstellung

Torgau, Schloss Hartenfels 2004.