Ernst Barlach - Der Buchleser (Lesender Mann im Wind) - image-1

Lot 34 Dα

Ernst Barlach - Der Buchleser (Lesender Mann im Wind)

Auktion 1200 - Übersicht Köln
01.06.2022, 18:00 - Evening Sale - Moderne und zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 40.000 € - 50.000 €
Ergebnis: 42.840 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Barlach

Der Buchleser (Lesender Mann im Wind)
1936

Bronze. Höhe 45 cm. An der Unterkante des Sitzes rückseitig signiert 'Barlach' und mit dem Gießerstempel "H. NOACK BERLIN" versehen. Einer von 31 nicht nummerierten, nach 1939 entstandenen Güssen neben drei Lebzeiten- und einem Zinkguss. - Mit schöner, lebendiger kupferbrauner Patina.

Barlachs Hauptwerk ab 1910 wird stark von den gotischen Bildwerken in den Kirchen seiner norddeutschen Heimat beeinflusst. Die dort gesehenen formalen Grundsätze übersetzt er in seine eigene expressive Sprache. Dabei bedient er sich konkreter Kompositionen der sakralen mittelalterlichen Werke, ohne notwendigerweise deren ikonografischen Gehalt zu übernehmen. Es entstehen Plastiken von zeitloser Ausdruckskraft, die die Grundaussagen menschlicher Existenz veranschaulichen. Bereits 1930 machte der Künstler in einem seiner Briefe eine Äußerung, die für sein Werk von fast allgemeingültiger Wirkung ist: "Sie meinen mit Recht zu fühlen, dass ich Aufrichtung und innere Gefaßtheit, die Kristallisierung einer Kraft aus einer Welt von Erschütterungen im Auge habe, ich glaube sogar, eine Art von Stolz, der einem unfaßbar schweren Geschehen gegenübertritt, nicht ableugnen zu sollen - aber freilich ist der eine ohne das andere für mich nicht denkbar. [...] Aufrichtung an sich verdient weder Lob noch Bewunderung, erst die Schwere, gegen die sie geschieht, macht ihren Wert aus." (Ernst Barlach an Fritz Schuhmacher, Oberbaudirektor für Hamburg, Güstrow, 8.12.1930, Briefe II 242).
Die Figur des „Buchlesers" von 1936 - auch „Lesender Mann im Wind" betitelt - zeigt eine in sich geschlossene Einheit; Haltung und Blick sind ganz auf die Lektüre ausgerichtet. Die leicht gebauschten Gewandschöße und das zerzauste Haar können als Auswirkungen des Windes, aber auch als subtile Zeichen innerer Unruhe gelesen werden.

Werkverzeichnis

Laur 600; Schult I, 473

Provenienz

Galerie Grosshennig, Düsseldorf; Sammlung, Nordrhrein-Westfalen; Privatsammlung, Süddeutschland

Literaturhinweise

U.a. Gert von der Osten, Bildwerke in der Landesgalerie Hannover, Hannover 1957, Kat. Nr. 443; Friedrich Droß (Hg.), Ernst Barlach, Die Briefe II, 1925-1938, München 1969, S. 859; Volker Probst (Hg.), 10 Jahre Ernst Barlach, Stiftung Güstrow, Güstrow 2004, Kat. Nr. 27

Ausstellung

U.a. Bremen 1959 (Kunsthalle Bremen), Ernst Barlach, Kat. Nr. 44; Hamburg 1977 (Ernst Barlach Haus), Stiftung Hermann F. Reemtsma, Kat. Nr. 67; Schleswig 1995, Kat. Nr. 128; Bergen/Güstrow 2000 (Bergen Kunstmuseum/Ernst Barlach Stiftung Güstrow), Ernst Barlach. Ein Graphiker und Bildhauer des deutschen Expressionismus, Kat. Nr. 100