Ernst Barlach
Der Singende Mann
1928
Bronzeplastik. Höhe 49,5 cm. Seitlich unten an Fußstütze und Gewandsaum signiert 'E. Barlach' und mit dem Gießerstempel "H. NOACK BERLIN" versehen. Aus einer bei Laur genannten Gesamtauflage von 57 Exemplaren, davon ca. 16 frühe Lebzeitengüsse aus der Edition der Galerie Flechtheim. Posthumer Guss.
Die prachtvolle Plastik "Der singende Mann" ist das wohl berühmteste bildhauerische Werk Ernst Barlachs. Ein inbrünstig singender Jüngling hält mit den Händen sein rechtes Knie umschlungen, das linke Bein liegt angewinkelt auf dem Boden. Die hierdurch hervorgerufene raumgreifende Dreieckskomposition, die Geste des Zurücklehnens und die geschlossenen Augen betonen den zugleich expressiven und kontemplativen Charakter der Bronze. Entspannt in der Haltung und mit fröhlicher, gelöster Mimik steht sie im Gegensatz zu den sonst eher ernsten, statuarisch wirkenden Arbeiten des Bildhauers.
Berthold Brecht, ein scharfer Beobachter seiner Zeit, beschrieb die realistisch-menschliche Qualität des „Singenden Mannes“ 1952 in den „Notizen zur Barlach-Ausstellung“ in West-Berlin: „Der singende Mann, eine Bronze von 1928, singt kühn, in freier Haltung, deutlich arbeitend an seinem Gesang. Er singt allein, hat aber anscheinend Zuhörer. Barlachs Humor will es, dass er ein wenig eitel ist, aber nicht mehr, als sich mit der Ausübung von Kunst verträgt.“ (zit. nach: Der Bildhauer Ernst Barlach. Skulpturen und Plastiken im Ernst Barlach Haus - Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg 2007, S. 159).
Nach dem Tod von Barlachs Galeristen Paul Cassirer 1926 übernahm Alfred Flechtheim die Betreuung seines bildhauerischen Werks. Er ermunterte den bis dahin ganz auf den Werkstoff Holz konzentrierten Künstler, vermehrt Bronze für seine bildhauerische Umsetzung einzusetzen. Nach dem Güstrower Ehrenmal von 1927 gehört der „Singende Mann“ zu den ersten Skulpturen, die Barlach mit voller Überzeugung in dem für ihn neuen Material denkt. Dies erklärt auch die große Popularität der Plastik, die schon bald nach Erscheinen der Edition bei Flechtheim vergriffen war, nach dem Krieg neu aufgelegt wurde und heute zu den gesuchtesten Plastiken des deutschen Expressionismus zählt.
Werkverzeichnis
Laur 432; Schult I 343
Provenienz
Wohl bei Roman Norbert Ketterer, Campione d'Italia, erworben (1972); Sammlung Wilhelm Reinold, Hamburg, seitdem Familienbesitz Rheinland
Literaturhinweise
U.a. Alfred H. Barr, Omnibus, German Sculpture, Berlin/Düsseldorf 1932, S. 38-42; Marguerite Devigne, Ernst Barlach, in: Les Beaux-Arts, Brüssel 1935, S. 14; Carl Dietrich Carls, Ernst Barlach, Das plastische, graphische und dichterische Werk, 5. Aufl., Flensburg/Hamburg 1950, S. 58; Paul Fechter, Ernst Barlach, Gütersloh 1957, S. 35; Franz Fühmann (Hg.), Ernst Barlach, Das Wirkliche und Wahrhaftige, Wiesbaden 1970, S. 159; Kunstblätter der Galerie Nierendorf, Ernst Barlach. Plastik, Zeichnungen, Graphik, 13.9.-5.12.1978, Berlin, September 1978, Kat. Nr. 41 mit Abb. Nr. 21 ; Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach, Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 116 f.; Helga Thieme, Ernst Barlachs Skulptur "Der singende Mann" in der Ausstellung "Neue deutsche Kunst", Oslo 1932, in: Ausst. Kat. Rostock 1998, S. 310 ff.
Ausstellung
U.a. Berlin/Düsseldorf 1930 (Galerie Alfred Flechtheim), November/Dezember, Kat. Nr. 19; New York 1931 (Museum of Modern Art), Art in Our Time; Berlin 1951/1952 (Deutsche Akademie der Künste), Ernst Barlach, Kat. Nr. 54, S. 124; Bremen 1959 (Kunsthalle), Ernst Barlach, Kat. Nr. 34, S. 13 mit Abb.
Güsse befinden sich nach Laur in folgenden musealen Sammlungen: Neue Nationalgalerie, Berlin; The Cleveland Museum of Art, Cleveland/Ohio, USA; Lyman Allyn Museum, New London/Connecticut, USA; Museum of Modern Art, New York, USA; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Schloss Gottorf, Schleswig; Staatliches Museum Schwerin; Ernst Barlach Stiftung, Güstrow; Hamburger Kunsthalle; Von der Heydt-Museum, Wuppertal