Sehr seltene Augustus-Rex Vase mit Gelbfond und konturierten Chinoiserien
Porzellan, farbiger Mischdekor, Vergoldung. Balustervase mit Flötenhals über profiliertem Ansatz. Vier gespitzte Reserven um besonders fein gemalte Konturchinoiserien vor Landschaftshintergrund, drei Wasserlandschaften mit niedrigem Horizont, eine exotische Gebirgslandschaft. Restauriert. H 46,5, oberer D 24,5 cm.
Meissen, um 1735, der Dekor Adam Friedrich von Löwenfinck, zugeschrieben.
Der Maler der Vase verwendete einen von den Hoeroldt-Chinoiserien deutlich unterschiedenen Typus. Die Figuren, Vögel und Insekten sind schwarz konturiert, was der Grund dafür ist, dass Abraham den Blaauwen diese Art der Darstellung unter „Konturchinoiserien“ subsumierte. Als eine mögliche Inspirationsquelle dieser Bildfindungen publizierte er in Keramos 31/1933 die Druckgrafiken von Petrus Schenk d.J. (1693 - 1775) aus den Serien "Nieuwe geinventeerde Sineesen, met groote moeyte geteekent en in't Ligt gegeven", die in zwei Teilen in den 1720er Jahren veröffentlicht wurde. Doch die Darstellungen auf dieser wie auf anderen bekannten Vasen kopieren diese Vorlagen nicht, sondern verwenden höchstens einzelne Motive oder nur die Komposition der Figuren vor dem Hintergrund.
Ein gleiches Vasenpaar versteigerte Paul Graupe in Berlin aus einer Kölner Sammlung am 27. März 1935. Eine dritte, ähnlich dekorierte Vase, die möglicherweise Teil derselben Garnitur war, wurde 1954 aus dem Besitz des Luzerner Händlers Otto Büel publiziert (Mitteilungsblatt der Keramikfreunde der Schweiz 27/1954), Abb. 8) und später von Dr. Marcel Nyffeler ersteigert (Christie's London am 9. Juni 1986, Lot 175).
Die Vasenform wurde in Meissen nicht häufig hergestellt, denn sie überstand den Brand nicht ohne Schäden. Nach dem Abglühen und Erkalten hatten alle Objekte Risse, und manchmal, wie bei diesem Exemplar, sind sogar Stücke herausgefallen. Gerade die untere Bauchung war gefährdet. Dennoch gingen alle Vasen in die Malstube und wurden dekoriert. So hat auch z.B. unsere Vase hier im Bereich der Reserve mit der Dschunke einen ovalen, wieder eingesetzten Ausbruch.
Als Maler wird immer der hochbegabte Adam Friedrich von Löwenfinck genannt, eine schillernde Persönlichkeit in der Porzellanwelt des frühen 18. Jahrhunderts. Rainer Rückert publizierte 1990 erstmals alle bekannten Lebensdaten des 1714 im heutigen Polen geborenen Adam Friedrich von Löwenfinck, der "auf flehentliches Bitten" als Malerlehrling 1727 an der Manufaktur angenommen wurde. Der charakterstarke junge Mann scheint recht früh seinen eigenen Weg eingeschlagen zu haben, in dem er die Grenzen der Arbeitshierarchie auslotete. Für uns heute ist sein Wirken untrennbar mit den schönsten Erzeugnissen der Manufaktur dieser Zeit verbunden. Seine Konturchinoiserien stehen den Hoeroldt-Chinoiserien in nichts nach, und seine bizarren Tiere gefielen nicht nur den sächsischen Königen.
1736 floh Adam Friedrich nach einem Streit in der Manufaktur und einem vermutlichen Meineid nach Bayreuth. Schon ein Jahr später finden wir ihn in Ansbach. Doch Löwenfinck hatte noch andere Ziele. Johann Gregorius Hoeroldt gab im Juni 1738 der Manufakturkommission das Gerücht weiter, dass sich der gesuchte Maler in Chantilly aufhalte. Diese erstmals von Pietsch 2014 publizierte Akte würde die Parallelitäten der Dekore zwischen Meissen und Chantilly erklären. Ulrich Pietsch vermutet auch einen bisher unbekannten Aufenthalt Löwenfincks in Potsdam, bevor er 1741 – 45 für die Fuldaer Fayencemanufaktur produzierte. Löwenfinck trug sein Wissen und seinen Malstil noch nach Weisenau, Höchst, Schloss Schönbornslust und schließlich ins französische Strasbourg und Haguenau, wo er am 13. November 1754 viel zu früh verstarb. Pietsch sah mögliche Todesursachen entweder im langjährigen Umgang mit den giftigen Farben und Dämpfen oder aber in einer Epidemie, weil ungefähr gleichzeitig auch ein Sohn und sein Bruder verstarben.
Provenienz
Deutsche Privatsammlung.
Literaturhinweise
Vgl. den Blaauwen, Meissen Porcelain in the Rijksmusem, Amsterdam 2000, S. 229
Eine weitere gleiche Vase verst. Bonhams London am 20. März 2013, Lot 30.
Zum Maler s. Rückert, Biographische Daten der Meißener Manufakturisten des 18. Jahrhunderts, München 1990, 171 ff. und Pietsch (Hg), Phantastische Welten. Malerei auf Porzellan und deutschen Fayencen von Adam Friedrich von Löwenfinck 1714 – 1754, Dresden-Stuttgart 2014, S. 12 ff. bzw. S. 298 ff.
Zur Form vgl. den Blaauwen, Meissen Porcelain in the Rijksmuseum, Amsterdam 2000, Nr. 147, zwei Vasen in der Sammlung des Rijksmuseum Amsterdam (Inv. BK-17358), über die den Blaauwen schreibt: "Although the mouth of vase B is severly misshapen, the factory nonetheless decorated and delivered this set, which shows how difficult these large vases were to make. The Hermitage in St. Petersburg has another unpainted example, also marked AR and with the mouth askew." Dort noch weitere Beispiele zur Fom, u.a. zwei Vasen aus einer Fünfergarnitur in der Sammlung Wadsworth Atheneum Hartford (1917.1197 und 1917.1198).
Vgl. Pietsch (Hg), Phantastische Welten. Malerei auf Porzellan und deutschen Fayencen von Adam Friedrich von Löwenfinck 1714 – 1754, Dresden-Stuttgart 2014, Kat. Nr. 31 ff, die beiden Vasen mit tomatenrotem Fond aus einer ursprünglichen Fünfergarnitur.