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Lot 1503 Nα

Adriaen van Overbeke - Triptychon mit Ecce Homo

Auktion 1209 - Übersicht Köln
19.11.2022, 11:00 - Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen 14.-19. Jh.
Schätzpreis: 400.000 € - 450.000 €
Ergebnis: 780.000 € (inkl. Aufgeld)

Adriaen van Overbeke

Triptychon mit Ecce Homo

Öl auf Holz. Mitteltafel 68 x 56 cm. Seitenflügel jeweils 58 x 23 cm.

Was ich bin, wirst Du sein, was du bist, war ich einst – Die Inschrift und die Totenschädel auf den Tafeln gemahnen den Betrachter, über seinen Tod und über die Vergänglichkeit allen Seins zu meditieren. Öffnet er aber die beiden Tafeln, so bietet ihm das Triptychon die Verheißung auf die Erlösung und die Überwindung des Todes: Er sieht eine Darstellung des Ecce Homo, das Leiden Jesu, durch das die Menschen erlöst werden, so wie es Johannes der Täufer bezeugt hat, der rechts auf dem Altarbild zu sehen ist: Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Pontius Pilatus ist aus seinem Palast herausgetreten, dem Volk den gegeißelten Jesus zu präsentieren. Die Worte, die er zu der wütenden Menge spricht, sind als Inschrift in die Architektur eingeschrieben: Ecce Homo, „Seht, ein Mensch“. Pilatus ist in einem prächtigen orientalischen Kostüm gekleidet, Jesus hingegen trägt die Dornenkrone und den Stab als Spottzepter, sein Haupt ist gebeugt und sein Körper geschunden. In der Menge, die grölend und geifernd den Tod Jesu fordert, ist der Hohepriester Kaiphas in rotem pelzbesetztem Gewand hervorgehoben.
Adriaen van Overbeke konnte auf Vorbilder aus der nordalpinen Kunst zurückgreifen, als er dieses Ecce Homo malte, etwa die Kupferstiche Martin Schongauers und Albrecht Dürers. Zu diesen tradierten Elementen zählte die Stadtansicht mit dem Palast als Schauplatz oder die erhöhte Positionierung von Pontius Pilatus und Jesus, dazu zählten aber auch Details wie der Affe und der Hund, die auch auf den Kupferstichen ihren Auftritt haben. Van Overbeke modifiziert jedoch das Kompositionsschema: Er platziert Pontius Pilatus und Jesus nicht auf den Palaststufen, er zeigt sie vielmehr auf einem niedrigen runden Podest. Die Protagonisten rücken dadurch näher zur Volksmenge wie zum Betrachter, die Komposition wird verdichtet und der Akt des demütigenden Zurschaustellens verstärkt.
So sah der Betrachter das Leiden Jesu, das ihm Hoffnung auf Erlösung gab. Der Betrachter sah aber auch – sich selbst, war der intendierte Betrachter dieses Altargemäldes doch der Auftraggeber, und dieser ließ sich mit seiner Familie auf den Außentafeln darstellen; es handelt sich um den Engländer John Vowell - er lässt sich anhand des Wappens über ihm identifizieren –, der sich auf der heraldisch rechten Seite mit seinem Namenspatron, dem hl. Johannes, und seinen Söhnen hat portraitieren lassen; vor einer weiten Landschaft, die auf der Mitteltafel und der gegenüberliegenden Seitentafel weitergeführt wird und so die drei Tafeln miteinander verbindet. Auf der heraldisch linken Seitentafel ist seine Gattin zu sehen, mit deren Schutzheiligen, der hl. Alice, und den beiden Töchtern. Der älteste Sohn wie auch die älteste Tochter zeigen physiognomische Ähnlichkeiten zu ihren jeweiligen Elternteilen, die jüngeren Kinder jedoch schauen nicht ganz so ernst drein und scheinen ein wenig abgelenkt. John Vowell selbst und seine Gattin werden vor dem kostbaren Triptychon ebenso andächtig gekniet haben wie ihre Ebenbilder auf den Seitentafeln vor der Darstellung des Ecce Homo. Dass seinem Namenspatron, dem hl. Johannes, gemäß der Auffassung der Theologen beim Jüngsten Gericht neben der Gottesmutter eine bedeutende Rolle als Fürbitter der Menschen zukam, wird die Gewissheit in ihm verstärkt haben, dereinst erlöst zu werden.
Für John Vowell war dieses Triptychon eine Investition in sein Seelenheil; er erwarb aber auch ein modernes Kunstwerk, das im führenden Kunstzentrum der Niederlande, in Antwerpen, entstand. Die Erzählfreude, die Stadtansicht als Bühne, die komplexe Komposition, Details wie die steinernen Putten als Architekturschmuck – ein dezidiert italienisches Bildelement –, machen dieses Altargemälde zu einem exemplarischen Werk des Antwerpener Manierismus des frühen 16. Jahrhunderts, zu dessen führenden Vertretern Adriaen van Overbeke zählte. Die europäische Strahlkraft seiner Kunst – und Antwerpens als Kunstzentrum – bezeugt dieses Altargemälde für einen englische Auftraggeber (zu Adriaen van Overbeke und zum Antwerpener Manierismus vgl. Ausst.-Kat. Antwerpen/Maastricht 2005/2006: ExtravagAnt! A forgotten chapter of Antwerp painting, 1500-1530, Antwerpen 2005).

Provenienz

Galerie Claude Vittet, Paris. - Dort vom jetzigen Eigentümer im Jahr 2013 erworben.