Lot 12 Dα

„Gibt es für einen Künstler eine geheimnisvollere Idee als die, wie sich wohl die Natur in dem Auge eines Tieres spiegelt? Wie sieht ein Pferd die Welt oder ein Adler, ein Reh oder ein Hund? Wie armselig, seelenlos ist unsere Konvention, Tiere einfach in eine Landschaft zu setzen, […].“ (zit. nach Magdalena M. Moeller, Franz Marc, Stuttgart 1989, S. 33) Um die Jahreswende 1911/12, also zur Entstehungszeit unserer Bleistiftzeichnung, formulierte Franz Marc diese Überlegungen zur Darstellung von Tieren. Um 1912 war er in seiner künstlerischen Entwicklung an einem Punkt angelangt, an dem es ihm nicht mehr darum ging, nur das Wesen eines Tieres zu erfassen, sondern mit den Errungenschaften des französischen Kubismus das Tier und seine Umgebung durch kubische und kristalline Formen zu einer Einheit zu verschmelzen.
Die vorliegende Bleistiftzeichnung „Esel in stilisierter Landschaft“ ist eine sorgfältig ausgeführte Arbeit aus Marcs „Skizzenbuch XXV“ aus dem Nachlass von Maria Marc. Die Zeichnung könnte im Zusammenhang mit dem 1911 entstandenen „Eselfries“ – oder noch wahrscheinlicher – mit dem verlorenen Gemälde „Große Landschaft mit Pferden und Eseln“ (1911/12) ausgeführt worden sein. Im zuletzt genannten Gemälde erscheint der Esel zwar in anderer Perspektive, gut vergleichbar sind aber die Position eines Pferdes und die Bergkette im Hintergrund. Schon bei dieser kleinen Zeichnung wird deutlich, wie Marc die Berggipfel aus den kantigen Formen des Tierkörpers entwickelte, so dass dieser ganz in seiner Umgebung aufgeht.