Paar große Wandspiegel mit Leuchterarmen - image-1

Lot 394 Dα

Paar große Wandspiegel mit Leuchterarmen

Auktion 1220 - Übersicht Köln
17.05.2023, 14:00 - Möbel Kunstgewerbe
Schätzpreis: 30.000 € - 50.000 €

Paar große Wandspiegel mit Leuchterarmen

Vergoldetes Weichholz, älteres Spiegelglas, vergoldetes Messing. Äußerst fein moulurierte, gegenständige Rocaillenkartuschen, umwunden von hochreliefierten Schilfblattranken und Blütengirlanden. Unten eingesteckt drei vegetabil gestaltete geschweifte Leuchterarme, die Tüllen und Traufschalen aus vergoldetem Messing. Minimale Ausbrüche am Rand der Traufschalen. H 120, B 55, T ca. 30 cm.
Amsterdam, zugeschrieben, drittes Viertel 18. Jh.

Rokoko in Perfektion

Anhand dieses außergewöhnlichen Spiegelpaares können die Stilelemente, mit denen wir das Rokoko definieren, beispielhaft erklärt werden: Asymmetrie, fließende Linien, amorphe Formen, Täuschung der Augen. Eine bizarre Muschelform wird überlagert von Blüten, Ästen und Schilfblättern. Ausgehend von Frankreich, wo der junge Louis XV sich in der gestalterischen Tradition seines Urgroßvaters Louis XIV sah, also einen eigenen Stil propagieren wollte, entwickelte sich aus der Symmetrie barocker Elemente eine neue biomorphe Asymmetrie. In Süddeutschland, in Bayern und Franken, in Würzburg und Bamberg fand dieser neue Stil zu einem besonderen Höhepunkt. Heerscharen von Dekorateuren und Tischlern wurden von den Landesfürsten beschäftigt, um Schlösser und Kirchen auszustatten mit illusionistischer Malerei, raumgreifenden Stuckaturen und gebauchten, furnierten und gleichzeitig geschnitzten Möbeln.

Auf den ersten Blick wirken diese beiden Wandspiegel auch so, als wären sie in Süddeutschland, z.B. für Schloss Seehof produziert worden. Aber ihre Gestaltung zeigt Elemente der Entwürfe von Matthias Lock (um 1710 - um 1765). Lock war ein englischer Möbeldesigner und praktizierender Kunsttischler. Bekannt wurde er durch die Publikation seiner Entwürfe und der von Henry Copeland (um 1710 - 1754) in "A New Book of Ornaments with Twelve Leaves Consisting of Chimneys, Sconces, Tables, Spandle Panels, Spring Clock Cases, Stands, a Chandelier and Girandole, etc.", verlegt in London 1752. Diese Vorlagen wurden von den Entwerfern und Handwerkern hauptsächlich in England, in Flandern und den Niederlanden begeistert aufgenommen. Man hat nicht immer akkurat kopiert, sondern sich oft nur inspirieren lassen, je nachdem, für welche Räumlichkeiten das Objekt gedacht war und was der Auftraggeber sich vorstellte. Die Zuschreibung an Amsterdam stützt sich auf ähnliche großzügige, mit Blüten überlagerte Kartuschenmotive, die sich z.B. im Bestand des Rijksmuseum befinden. Typisch für die niederländischen Leuchter sind die tordierten Astarme, die die Tüllen und Traufschalen tragen.

Provenienz

Pelham Galleries, London.
Collection of Mr. and Mrs. Stephen C. Hilbert.
Sotheby's New York am 24. Mai 2007, lot 8.
Privatsammlung Rheinland.

Literaturhinweise

Vgl. de Jonge (Hg), Holländische Möbel und Raumkunst von 1650 - 1780, Stuttgart 1922, Abb. 113 ff.
Vgl. Kat. Rococo in Nederland, Amsterdam 2001, Kat. Nr. 108 f., ein niederländischer Blaker aus der Stiftung Twickel in Delden und die beiden geschnitzten und vergoldeten Wandleuchter aus der Sammlung Rijksmuseum Amsterdam (Inv. Nr. BK-1980-26).