Guido Reni
Heilige Magdalena
Öl auf Leinwand (doubliert). 70 x 56 cm.
Im Rahmen einer Ausstellung der Princeton University 1997 wurde dieses bis dahin nicht publizierte Bild von Guido Reni erstmals öffentlich gezeigt. Dabei konnte es mit einer Darstellung der Heiligen Magdalena identifiziert werden, das 1709 in die Sammlung Spinola als ein diplomatisches Geschenk der Stadt Bologna an Kardinal San Cesareo gelangte. 1790 beschrieb Antonio Ratti das sich im Palazzo Spinola in der Via Luccoli in Genua befindende Gemälde als “una mezza figura della Maddalena di Guido: pittura di bellezza soprendevole e rara” (eine Halbfigur der Magdalena von Guido: Malerei von einnehmender und seltener Schönheit). Das Bild kann auch mit einer “Una Santa Maria Maddalena in mezza figura in tela da testa, la quale stà contemplando il Chricifissi con una stesta di morto a canto con cornice a tre ordini d´intagli et attaccaglio di fogliame dorato. Di Guido” (Eine Heilige Maria Magdalena in halber Figur, Leinwandbild, die das Kreuz anblickt mit einem Totenschädel… von Guido) identifiziert werden, die im Archiv der Familie Spinola erwähnt wird (f. 985). Interessant ist hier auch die Beschreibung des Rahmens, die genau dem unseres Bildes entspricht. Renis Heilige Magdalena wurde später irrtümlicherweise mit einem anderen Gemälde aus der Sammlung Spinola mit demselben Thema verwechselt, welches Miriam Di Penta 2007 allerdings als ein Werk von P. F. Mola erkannte.
Der „Legenda Aurea“ zufolge lebte Maria Magdalena die letzten Jahre ihres Lebens als Büßerin in einer Höhle. Bei ihrer künstlerischen Darstellung entwickelte sich im späten 16. Jahrhundert der Typus einer halbentblößten, himmelwärts blickenden jungen Frau mit langen, blonden Haaren und herabfließenden Tränen. Eines der bekanntesten Darstellungen dieses Prototyps schuf Tizian (siehe Lot 2017). Auch Reni hat diesen Bildtypus häufig ausgeführt, etwa in seiner „Büßenden Magdalena“ in Baltimore, die um 1635 datiert wird und damit eines seiner späteren Werke ist.
Die vorliegende „Magdalena“ hingegen folgt diesem ikonographischen Kanon nicht. Reni rückt die junge Frau sehr nah an den Bildrand heran. Dabei stützt sie ihren Kopf in meditativer Pose mit der rechten Hand, während die linke neben dem Totenschädel und dem aufgestellten Kruzifix ruht, auf den der Blick und die Gedanken der Heiligen gerichtet sind. Um ihre Schultern liegt ein blass-violettes Tuch, das Ihren Körper völlig bedeckt. Derart abweichend von der Ikonographie-Tradition der Heiligen Magdalena hat Reni mit diesem Bildnis ein einfühlsames und anmutiges Vanitas-Bild geschaffen.
1601 war der 26jährige Guido Reni nach Rom gezogen. Dort hatte die dramatische und sinnliche Malerei Caravaggios die Kunstszene derart aufgewirbelt, dass weder der junge Rubens noch der aus Bologna zugezogene Reni davon unberührt bleiben konnten. In kaum mehr als einer handvoll Werke Guido Renis ist die Wirkung Caravaggios zu spüren, darunter in seinem „David mit dem Haupt des Holofernes“ (Musée du Louvre), in seiner „Heiligen Katharina“ (Museo del Prado) oder in der berühmten „Kreuzigung des Heiligen Petrus“ (Vatikanische Museen). Allerdings interpretiert Reni den großen Meister - und Rivalen - auf seine Weise. Er nahm dessen „chiaroscuro“ seine Schärfe und modelliert das Inkarnat weicher und flüssiger, sein Stil ist geschmeidiger, seine Figuren „himmlischer“ – daher das Adjektiv „divino“, das seinem Namen häufig hinzugefügt wird. Die ikonographischen Freiheiten, die realistische Darstellung sowie auch das Kolorit der vorliegenden Magdalena sind als Reaktion auf die Malerei Caravaggios zu verstehen. Gleichzeitig legen sie eine Entstehung in die früheren römischen Jahre Guido Renis nahe
Wir danken Frau Dr. Stefania Girometti für hilfreiche Unterstützung bei der Bearbeitung dieses Lots.
Provenienz
1709 als Geschenk an den Kardinal von San Cesareo. Im Erbgang an die Familie Spinola, Genua bis ca. 1800. - Marchese Edilio Raggio, Genua bis ca. 1940. - Marco Grassi, New York. - Privatsammlung Schweiz. - Matteo Grassi, Grassi Studio, New York. - Deutsche Privatsammlung.
Literaturhinweise
Carlo Giuseppe Ratti: Delle vite de' pittori, scultori ed architetti genovesi, 1780, S. 328. - L´opera complete di Guido Reni, Classici dell´Arte Rizzoli, 1971, S. 102, unter Kat. Nr. 116. - Dr. S. Peppe, 'Guido Reni: additions to the catalogue. Atti e Memorie of the Accademia Clementina. 28-29, S. 84-85, fig. 19. - Miriam Di Penta: Giovan Battista Spinola, cardinal San Cesareo (1646-1719), collezionista e mecenate di Baciccio, Gangemi, 2007, S. 62-63, 104. - Fototeca Zeri, inv. N 116264 (als Guido Reni).
Ausstellung
In celebration: Works of art from the collections of Princeton alumni and friends of the Art Museum, Princeton University, 1997 (als Leihgabe von Mr and Mrs Grassi).