Anton von Werner
Luther vor dem Reichstag zu Worms
Öl auf Leinwand. 79 x 135 cm.
Monogrammiert und datiert unten rechts: A v W 1870.
Das vorliegende Gemälde ist der eigenhändige Entwurf Anton von Werners zu einem Wandbild, das der Künstler für die Aula der Kieler Gelehrtenschule geschaffen hat und im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist. Neben unserem großformatigen Entwurf in Öl existieren heute noch zwei kleine Entwurfsskizzen in Aquarell bzw. Bleistift (in einem 1869 in Rom entstandenen Skizzenbuch in Privatbesitz bzw. im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum) sowie einige Modell- und Kostümstudien (in Privatbesitz sowie in der Kunsthalle Kiel und im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum). Der vorliegende monogrammierte und 1870 datierte Entwurf stellt somit das wohl bedeutendste Zeugnis für das kriegszerstörte Kieler Wandgemälde des Historienmalers Anton von Werner dar. Eine kleinere Version der Gesamtkomposition, heute in der Staatsgalerie Stuttgart, wurde erst sieben Jahre später als Replik nach dem Wandgemälde geschaffen (Ausst.-Kat. “Anton von Werner“, op. cit., S. 238, Nr. 244).
Anton von Werner erhielt den Auftrag zu dem Wandgemälde 1869 vom Preußischen Staat, als er sich gerade in Rom aufhielt. Als Gegenstück zu diesem für die Südwand der Aula in der Kieler Gelehrtenschule vorgesehenen Wandbild konzipierte er die ebenfalls im Zweiten Weltkrieg zerstörte Darstellung „Die nationale Erhebung von 1913“ an der Nordwand. Auch zu diesem Wandbild existiert ein Entwurfsgemälde, das somit das Pendant zum hier angebotenen Werk bildet und heute in der Kieler Kunsthalle aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 736).
Die beiden monumentalen, oben halbrund geschlossenen Wandbilder in Kiel (jeweils 3,5 x 7 m) führte Anton von Werner von Juli bis September 1870 aus. Der Künstler gestaltet auch die ornamentale Rahmung, die bereits auf dem vorliegenden Entwurf zu sehen ist und die das berühmte Luther-Zitat „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!“ enthält. Anton von Werner setzte damit eines der bedeutendsten und folgenreichsten Ereignisse der Reformation ins Bild. Nach dem Bannspruch des Papstes gegen Luther lud Kaiser Karl V. den Reformator 1521 unter Zusicherung freien Geleits zum Reichstag in Worms ein. Vor den versammelten Reichsständen widersetzte sich Luther unter Berufung auf die Bibel und sein Gewissen der Aufforderung, seinen Lehren abzuschwören. In der höchst figurenreichen Komposition konzentriert Anton von Werner den historischen Vorgang auf die Konfrontation zwischen dem heftig gestikulierenden Luther und dem von seinen Beratern umgebenen und erhöht unter einem Baldachin sitzenden Kaiser. Die zahlreichen weiteren historischen Persönlichkeiten werden im Ausst.-Kat. “Anton von Werner“ (op. cit., S. 238) genauer aufgeführt.
Die beiden Kieler Wandgemälde und der hier vorliegende Entwurf entstanden nur wenige Monate vor der Kaiserproklamation Wilhelms I. am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Schloss Versailles, die Anton von Werner in einigen seiner berühmtesten, ikonisch gewordenen Historienbildern festhielt.
Zertifikat
Auf der Rückseite einer Fotografie des Gemäldes die handschriftliche Bestätigung von Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, 2.6.2017.
Provenienz
Spätestens 1890 erworben von Nicolai von Röpenack-Dufving, Riga (im Werkverzeichnis im Ausst.-Kat. “Anton von Werner“, op. cit., S. 431, Nr. 1870-4 mit falscher Schreibweise: „Nikolai von Ralpenack – v. Dutvingsen (?)“). – Seitdem in Erbfolge (1933 von Riga nach Lagow, Neubrandenburg, 1954 nach Westdeutschland).
Literaturhinweise
Werkverzeichnis im Ausst.-Kat. “Anton von Werner. Geschichte in Bildern“, Berlin, Berlin Museum u. Deutsches Historisches Museum, 7.5.-27.7.1993, 2. Aufl. München 1997, S. 431, Nr. 1870-4.