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Lot 11 D

Emil Nolde - Kirchenfiguren II (Mann und Frau)

Auktion 1256 - Übersicht Köln
29.11.2024, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 300.000 € - 350.000 €
Gebot

Emil Nolde

Kirchenfiguren II (Mann und Frau)
1913

Öl auf Leinwand. 77,5 x 64,5 cm. Gerahmt. Oben rechts schwarz signiert 'Emil Nolde' und rückseitig auf dem oberen Keilrahmen zusätzlich mit schwarzem Pinsel signiert und betitelt 'Emil Nolde Kirchenfiguren II'. - Rückseitig auf dem Keilrahmen mit dem gedruckten Papieretikett der Galerie Hans Goltz, München, darin handschriftlich mit Künstler, Bildtitel und der Nr. "9793" versehen sowie mit dem gedruckten Etikett der Galerie Wilhelm Grosshennig, Düsseldorf, und dem Etikett der "XXVIII Exposition Biennale Internationale des Beaux Arts Venise 1956", darin maschinenschriftlich neben Künstler und Bildtitel der Leihgeber "Dr. Bernhard Sprengel, Hannover" vermerkt.

"Die Zweiheit hatte in meinen Bildern und auch in der Graphik einen weiten Platz erhalten. Mit- oder gegeneinander: Mann und Weib, Lust und Leid, Gottheit und Teufel. Auch die Farben wurden einander entgegengestellt: kalt und warm, hell und dunkel, matt und stark. Meistens aber doch, nachdem eine Farbe oder ein Akkord wie selbstverständlich angeschlagen war, bestimmte eine Farbe die andere, ganz gefühlsmäßig und gedankenlos tastend in der ganzen herrlichen Farbenreihe der Palette, in reiner sinnlicher Hingabe und Gestaltungsfreude [...] Farben in ihrem Eigenleben, weinend, lachend, Traum und Glück, heiß und heilig, wie Liebeslieder und Erotik, wie Gesänge und Choräle! Farben in Schwingungen in Silberglockenklang und Bronzegeläute, kündend Glück, Leidenschaft und Liebe, Blut und Tod," so Nolde über seine Jahre in Arolsen und Berlin von 1911 bis 1913 (zit. nach Ders., Mein Leben, Köln 1976, S. 205).
Überblickt man Noldes malerisches Werk, fällt sein starkes Interesse an der Darstellung von Plastik auf: Madonnenfiguren, ozeanische und indianische Skulpturen und Masken, Buddhafiguren und Fayencen. Er hielt sich hierbei sowohl an eigene Bestände als auch - ab 1911 verstärkt - an die des Berliner Völkerkundemuseums; in Berlin hatte Nolde Wohnung und Atelier in diesen Jahren gemietet und verbrachte vornehmlich die Wintermonate dort.
"Als wieder der Winter kam, stand ich innerem Bedürfnis folgend in den ägyptischen und koptischen Abteilungen der Museen, ich ging zu den Tanagras und zu den romanischen Figuren und den gotischen, immer zeichnend alle diese reichen Formen und auch Farben. - Es gab dies ein vertieftes Eindringen in das Wesentliche, als mechanische Aufnahme und Abbildungen es tun, wenn auch meine Zeichnungen nur ganz knapp waren. - In meinen späteren oft frei gemalten Stilleben kehren einige dieser gegenständlichen Wahrnehmungen wieder." (ebenda, S. 223)
So werden einerseits Artefakte zu Stillleben arrangiert, andererseits finden eben jene Objekte Eingang in seine Motivwelt und regen ihn zu einer äußerst expressionistischen Umsetzung beispielsweise von biblischen historischen Themen mit u.a. dem neunteiligen Zyklus zum "Leben Christi" (Urban 421-423, 477-482) oder auch denen der nordischen Mythologie an, wie etwa "Mann und Weibchen" oder "Kerzentänzerinnen" - Typen von skurriler und markanter Physiognomie in ekstatischer Bewegung und kräftiger Farbgebung (s. Urban 515 u. 512). Während sich Künstlerkollegen aus der Brücke-Vereinigung oder auch in Paris eher der außereuropäischen, resp. afrikanischen Skulptur widmen, sucht Nolde ebenfalls in der heimischen Sakralplastik das Eigentümliche, Interessante und auch Fremde.
In dem Stillleben "Kirchenfiguren II" sind die Figur eines Apostels, das Buch mag ihn als Matthäus ausweisen, und die kniende Stifterfigur einer Königstochter aus einer mittelalterlichen Gruppe um den Hl. Georg auf eine Größe gebracht und miteinander vereint. Beide Holzskulpturen waren im heute zerstörten Kieler Völkerkundemuseum Thaulow ausgestellt - wie auch eine Madonna mit einem Heiligen, die Nolde in seinem Gemälde "Kirchenfiguren I" dargestellt hat (s. Urban 549) -, und sie befinden sich heute im Schloß Gottorf Schleswig. Die beiden vorbereitenden Zeichnungen in der Nolde-Stiftung Seebüll zeigen den Apostel und die Prinzessin als einzelne Figuren. In dem großformatigem Gemälde dagegen füllen sie den mit breiten Pinselstrichen nicht weiter differenzierten blauen Bildraum - sicher eine marianische Anspielung - und blicken einträchtig vereint in mildem Ernst auf das Gegenüber. So gilt der fürbittende Gestus nun nicht mehr dem ursprünglichen Geschehen, aus dem Nolde es entnommen hat, sondern richtet sich direkt an den Betrachter.
Das in seinem großen Format seltene "Stillleben" war früh schon auf wichtigen Ausstellungen vertreten und stammt aus der berühmten Sprengel-Sammlung, Hannover.

Werkverzeichnis

Urban 551; Handliste 1910 c, Nr. 464 und Handliste 1930 "1913 Kirchenfiguren II (Mann und Frau)"

Provenienz

Paul Ströhmer, Neumünster (um 1920); Sammlung Bernhard Sprengel, Hannover (1940); Galerie Großhennig, Düsseldorf (1958); seitdem Privatsammlung Nordrhein-Westfalen

Ausstellung

Halle 1914 (Kunstverein), Emil Nolde. Gemälde und Aquarelle; Frankfurt a.M. 1915 (Ludwig Schames), Emil Nolde. Gemälde, Kat. Nr. 43; Dresden 1916 (Galerie Arnold), Emil Nolde. Gemälde; Frankfurt a.M. 1917 (Ludwig Schames), Emil Nolde. Gemälde, Aquarelle, Druckgraphik, Kat. Nr. 11; Hannover 1918 (Kestner-Gesellschaft), Emil Nolde. Gemälde, Aquarelle, Druckgraphik, Kat. Nr. 20; Hamburg 1947 (Kunstverein), Emil Nolde. Gemälde, Aquarelle, Druckgraphik; Mannheim 1952 (Kunsthalle), Emil Nolde. Gemälde, Aquarelle, Druckgraphik, Kat. Nr. 12; Kiel 1952 (Kunsthalle), Emil Nolde. Gemälde, Aquarelle, Druckgraphik, Kat. Nr. 46; Venedig 1956, XXVIII. Biennale Internationaler Bildender Kunst (rückseitiger Aufkleber); London 1964 (Marlborough Fine Art), Emil Nolde. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Kat. Nr. 9, S. 23 mit Abb.; Hannover 1965 (Kunstverein), Sammlung Sprengel, Kat. Nr. 225, S. 168 mit Abb.; Hamburg 2012 (Ernst Barlach Haus), Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole, mit Farbabb. S. 63, sowie Farbabb. S. 44 (Vorzeichnungen)