Lot 56 D

Karl Hofer - Vor Bellinzona

Auktion 1256 - Übersicht Köln
29.11.2024, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 35.000 € - 40.000 €
Ergebnis: 35.910 € (inkl. Aufgeld)

Karl Hofer

Vor Bellinzona
1930

Öl auf Leinwand. 80,9 x 101,2 cm. Gerahmt. Unten rechts schwarz monogrammiert und datiert 'CH 30' (ligiert). - In schönem, farbfrischem Zustand, mit leichten rahmenbedingten Bereibungen.

Das 1930 datierte und signierte Gemälde „Vor Bellinzona“ ist eine der bedeutenden großformatigen Tessiner Landschaften von Karl Hofer. Es vereint es eine durchdachte Bildkomposition mit einer überwiegend aus Pastelltönen bestehenden, satten Farbigkeit.
Für den Expressionisten Karl Hofer war das Tessin sowohl künstlerisch als auch persönlich eine Offenbarung. Als er kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs das erste Mal dorthin kam, war dies, wie er selbst schrieb, die Entdeckung einer „paradiesischen Welt“. Fasziniert von der Landschaft, erwarb er 1925 ein am Luganer See gelegenes Anwesen, in dem er bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Sommermonate verbrachte und zauberhafte Landschaften schuf: „Es entstanden meine zahlreichen Tessiner Landschaften, in denen ich in immer neuen Varianten versuchte, unter dem Gewand objektiver Darstellung die geheime Geometrie dieser Symbiose von Haus und Umwelt deutlich werden zu lassen.“ (zit. nach: Elisabeth Furler, Karl Hofer. Leben und Werk in Daten und Bildern, Frankfurt 1978, S. 95). Auf den Spuren dieser „geheimen Geometrie“ schuf er auch das Gemälde „Vor Bellinzona“. Mit breitem Vordergrund, der unseren Blick durch die gewundene Straße in die Tiefe zieht, einer belebten mittleren Zone und einem bläulich schimmernden Bergmassiv ist das Gemälde durchdacht komponiert. Eine geschickte Verteilung von beleuchteten und verschatteten Bereichen verleiht der Landschaft Lebendigkeit, auch wenn keine Personen erscheinen. Die Tessiner Gemälde sind dann auch die letzten Landschaften, bevor Hofer mit Beginn des Zweiten Weltkriegs überwiegend Figurenbilder und Stillleben malte, denn „der märkische Sand sagt mir nichts“ (zit. nach: Furler, ebenda, S. 108).
Das Gemälde hat zudem eine ausgezeichnete und komplett dokumentierte Provenienz. So verkaufte Alfred Flechtheim es an den damals bekannten Bankdirektor Hans Ehlermann, mit dem Hofer bis in die 1950er Jahre korrespondierte und dessen Nachfahren es bis heute verwahrt haben. Die ausgewählte Landschaftsszenerie war für Hofer derart attraktiv, dass er insgesamt vier Fassungen des Motivs schuf.

Werkverzeichnis

Nicht bei Wohlert

Zertifikat

Mit einer Foto-Expertise des Karl Hofer Komitees vom 25. September 2024.
Das Werk wird in das Karl Hofer Werkverzeichnis aufgenommen und derzeit unter der Nummer N35 im Archiv geführt.

Provenienz

Galerie Alfred Flechtheim, Berlin (mit rückseitigem Etikett); Hans Ehlermann, Berlin; seitdem in Familienbesitz

Ausstellung

Pittsburgh 1930 oder 1933 (Carnegie Institute), Annual International Exhibition of Paintings, Kat. Nr. 331 (mit rückseitigem Ausstellungsetikett auf dem Rahmen); Oslo 1932 (Kunsternes Hus), Nyere Tysk Kunst. Maleri og Skulptur, Kat. Nr. 66 (Utenfor Bellinzona)