Lot 1002 D α

Jheronimus Bosch, Nachfolge - Vision des Tondalus

Auktion 1266 - Übersicht Köln
17.05.2025, 11:00 - Alte Kunst und 19. Jahrhundert Teil I
Schätzpreis: 50.000 € - 70.000 €
Gebot

Jheronimus Bosch, Nachfolge

Vision des Tondalus

Öl auf Holz (parkettiert). 53,5 x 71 cm.

Verso auf dem Zierrahmen Klebeetikett der „Gemeente Musea Amsterdam / Tentoonstelling“.

Es ist kaum möglich, das vorliegende Gemälde zu betrachten, ohne den Einfluss von Jhieronymus Bosch zu spüren. Der Künstler aus dem beschaulichen ´s-Hertogenbosch, der in dieser Stadt geboren wurde, dort lebte und schließlich 1516 auch starb, hatte bereits zu Lebzeiten wie auch nach seinem Tod immensen Einfluss auf unzählige Künstler. Die phantastischen Welten des Jhieronymus Bosch hinterließen nachdrückliche Spuren in der Geschichte der Kunst und faszinieren bis heute.
Die schier überwältigende Fülle an grotesken, skurrilen und schaurigen Figuren, Mischwesen und Gegenstände, die das vorliegende, in das 16. Jahrhundert zu datierende Gemälde aufweist, erinnert u.a. an Boschs Gemälde „Der Garten der Lüste“ im Madrider Prado. Der bislang namentlich nicht fassbare Maler unseres Bildes nahm sich eine vergleichsweise wenig bekannte Schriftquelle zur Vorlage seiner Bildkomposition, die Visio Tnugdali oder wie die Beschriftung unten links lautet: visio tondale. Dabei handelt es sich um einen im 12. Jahrhundert in Regensburg verfassten Text, der durch handschriftliche Kopien eine gewisse Verbreitung fand. Berichtet wird in dem Text von der Vision des irischen Ritters Tnugdalus (später auch als Tundalus oder Tondolus bezeichnet), der von einem Engel ins Jenseits geführt wird und verschiedene Szenen im Himmel, der Hölle und dem Fegefeuer sieht. Die Geschichte bildet somit eine ideale Vorlage für die Darstellung der Schreck- und Spukgestalten in der Tradition von Bosch. Eine ähnliche, jedoch in vielen Details abweichende Version der vorliegenden Komposition findet sich im Museo Lázaro Galdiano in Madrid (Abb. 1).
Im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Entstehung unseres Gemäldes, wurde die Erde gemäß dem Ptolemäische Weltbild noch als Mittelpunkt der Welt verstanden; die Menschen fürchteten sich vor Teufeln, Hexen, bösen Geistern, Magiern und Ketzern, die durch Gemälde wie das vorliegende eindringlich und schreckensvoll illustriert wurden. Es mag verblüffen, dass auch in unserer heutigen Welt, die kaum noch an Dämonen glauben dürfte und medial überflutet wird, die Faszination dieser phantastischen Szenerien auf den Betrachter und das ungläubige Erstaunen, das solche Bildwelten auslösen, ungebrochen scheinen.

Literaturhinweise

G. Unverfehrt: Hieronymus Bosch. Die Rezeption seiner Kunst im frühen 16. Jahrhundert, Berlin 1980, S. 222, 271, Nr. 84, Abb. 224 (als Antwerpener Nachfolger von Hieronymus Bosch).