Abraham Janssens
Meleager und Atalante
Öl auf Holz. 123,5 x 94 cm.
Spanischer Rahmen des 17. Jahrhunderts.
Abraham Janssens war in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts der bedeutendste Maler in Antwerpen und wurde nach der Rückkehr von Peter Paul Rubens aus Italien Ende 1608 dessen Rivale. Während seines Aufenthaltes in Rom zwischen 1598 und 1601 studierte Janssens die Skulpturen der Antike und der Renaissance, darunter die Werke Michelangelos. Zurück in seiner Heimatstadt schuf er große Altarbilder, religiöse und mythologische Szenen aber auch Kabinettstücke und Porträts, in denen er einen monumentalen, plastischen Figurenstil mit der Formensprache des Nordens verband.
Vorliegendes monumentales Halbfigurenbild zeigt das Liebespaar Meleager und Atalante. Janssens hat dieses Thema in die niederländische Malerei eingeführt. Joost Vander Auwera, der eine umfangreiche Studie zu Janssens verfasst hat, sieht in dem Gemälde eine wichtige Hinzufügung zum Œuvre des Künstlers. Das aus belgischen Adelsbesitz stammende Tafelbild befand sich 1961 in der Galerie Marcus, Paris, und ist in der Datenbank des RKD unter der Nummer 40786 registriert. Es ist eine eigenhändige Wiederholung eines verschollenen Gemäldes, das sich bis 1945 im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin befand (118 x 93 cm). Zum verlorenen Berliner Gemälde gab es ein Gegenstück, Vertumnus und Pomona (Abb. 1). Beide Bilder stammen aus der Sammlung Solly und kamen 1821 in das Königliche Museum in Berlin (siehe Joost Vander Auwera, Leven, Milieu en Œuvre van Abraham Janssen van Nuyssen…, Proefschrift, Universität Gent, Gent 2003, Nr. 26, S. 857-861).
In der Berliner Ur-Fassung hat wahrscheinlich Frans Snyders die Tiere gemalt. Im vorliegenden Gemälde wurden sie laut Vander Auwera von Janssens selbst ausgeführt. Sie gehen konform mit der hellen und blanken Malweise der Figuren. Auwera datiert beide Fassungen in den Zeitraum 1613/14. Damit stimmt er in etwa mit Erik Larsens Datierung der Berliner Fassung um 1614 überein, der das Bild stilistisch vergleicht mit Janssens „Friede und Fülle die Pfeile des Krieges zusammenbündelnd“ in der Wolverhampton Art Gallery (siehe E. Larsen, „Meleager und Atalanta“ in der Konzeption von Abraham Janssens, Rubens und Jordaens, in: Jaarboek Koniklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen, 1995, S. 177-194, S. 183). Die kraftvollen, raumfüllenden Figuren Meleagers und Atalantes füllen mit dem Eberkopf und den Jagdhunden den gesamten Bildraum aus. Der Augenblick der Begegnung und erwachenden Leidenschaft der beiden Akteure wird so dramatisch zugespitzt. Eine leuchtende, mit feinen Lasuren abgestimmte Farbpalette unterstreicht diese Wirkung. Die warmen Farbtöne und das bräunlich-ockergelbe Inkarnat Atalantes unterscheidet sich von der späteren kühlen Farbigkeit der Gemälde Abraham Janssens'.
Eine weitere Version, die sich 1998 im Kunsthandel befand (122 x 95,3 cm, Christie’s, New York, 29. Januar 1998, Lot 154) und einige Kopien zeugen vom Erfolg dieser Darstellung.
Wir danken Prof. Dr. Joost Vander Auwera, der das vorliegende Gemälde am 12. Juli 2024 in Brüssel untersucht hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.
Provenienz
Galerie Marcus, Paris, 1961. - Slg. Baron Christian de Meester de Ravestein (1940-2023), dann in Erbfolge.