Giovanni Battista Tiepolo
Kopf eines bärtigen Philosophen / 50 Lots – My Choice | Jubiläumsauktion Henrik Hanstein, 4.12.2025
Öl auf Leinwand. 36 x 28, 5 cm.
Bitte beachten Sie: Dieses Lot wird in der Auktion „50 Lots - My Choice | Jubiläumsauktion Henrik Hanstein" am 4. Dezember 2025, 18 Uhr, versteigert.
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Das vorliegende Gemälde, das den Kopf eines alten Mannes darstellt, eines Philosophen vielleicht oder eines Orientalen, ist eine interessante Ergänzung des Oeuvres von Giambattista Tiepolo. Die Zuschreibung wurde von Mauro Lucco bestätigt, der einen ausführlichen Aufsatz zu dem Bild verfasst hat, auf dem der vorliegende Eintrag weitgehend basiert.
Das Kleine Gemälde gehört zu einer Bildgattung der Tronies, für die es in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts zahlreiche Beispiele gibt, vor allem von Rembrandt, dem unermüdlichen Erforscher der menschlichen Natur. Luca Giordanos Philosophenbilder könnten als italienische Vorbilder herangezogen werden, obwohl diese meistens einen größeren Bildausschnitt haben. Um 1700 wurden die sogenannten Teste kompositorisch zu einer reinen Kopfstudie reduziert und entwickelten sich insbesondere in der venezianischen Malerei zu einem beliebten Sujet. Entscheidend war dabei die Rolle von Giovanni Battista Piazzetta, wie Tiepolo ebenfalls in Venedig geboren und ca. 15 Jahre älter als dieser. Seine sogenannten Teste di carattere (Charakterköpfe) waren Darstellungen von Venezianern, die der Maler in den Gassen und auf den Plätzen der Stadt beobachtete. Bei Tiepolo hingegen, dem großen Inszenierer ganzer allegorischer Himmel mit Göttern, Heiligen und Herrschern, folgten die Teste di Fantasia, mit exotischen Turbanen und Goldbändern – zweifellos eine Folge der Türkenmode, die in allen europäischen Kunstzentren in dieser Zeit zu beobachten ist.
Beispielhaft des Ausmaßes der Begeisterung für diese Bildgattung können die Sammlungen des Zarenpapalastes in Sankt Petersbug genannt werden, mit über 100 Beispielen von Pietro Rotari, sowie die Sammlung Visconti di Modrone in Somma Lombarda, die eine wahre Anthologie von Fantasieköpfen oder Charakterköpfen verschiedener Künstler war und sowohl Arbeiten von Giovanni Battista Tiepolo sowie seines Sohnes Giovanni Domenico zählte.
Das vorliegende Bild ist etwas kleiner als andere vergleichbare Darstellungen Giovanni Battistas. Dennoch dürfte es sich nicht um eine Studie für ein größeres Werk, sondern um eine eigeständige Komposition, um eine Art Capriccio oder eine spielerische Übungsstudie handeln. Röntgenaufnahmen zeigen, dass das Bild auf einer bereits bemalten Leinwand entstanden ist. Das spricht ebenfalls für den improvisatorischen, spielerischen, vielleicht sogar ganz persönlichen Charakter der Arbeit. Tiepolo zeigt hier nämlich eine außergewöhnliche Freiheit der Pinselstriche, die fast zufällig die Form des Kopfes zu bilden scheinen. Kraft und Weichheit, schnelle Bewegung und ruhige Stille koexistieren auf der kleinen Leinwand und zeigen eine außergewöhnliche Fähigkeit, dicke Impasto- und trockene Pinselstriche miteinander abzuwechseln, um die Vorstellung das entsprechenden Volumens zu schaffen.
Der Dargestellte mit seiner ausgefallenen, gefalteten und halb abgeschnittenen Kopfbedeckung findet Parallelen in anderen Beispielen aus den frühen 1740er Jahren, wie beispielsweise dem Kopf im Musée Atger in Montpellier (Bleistift auf Papier) oder dem Altarbild aus der Kirche San Giovanni da Verdara in Padua (um 1745). Der Kopf weist auch eine enge Verwandtschaft zu einem Stich von Gian Domenico (im Museo Civico in Udine) sowie zu einer späteren Zeichnung von Lorenzo Tiepolo (Martin-von-Wagner-Museum in Würzburg) auf. Mauro Lucco identifiziert jedoch vor allem das Porträt des Antonio Riccobono in der Accademia dei Concordi in Rovigo als die unmittelbarste Referenz für seine Zuschreibung und Datierung. Denn trotz einiger Unterscheide im Motiv folgen die Darstellung des Pelzes, der Wechsel zwischen dicken und lasierenden Farbschichten, sogar die Krakelüren der Leinwand fast identischen Mustern.
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Zertifikat
Dr. Mauro U. Lucco, Bazzano di Neviano
Provenienz
Italienische Privatsammlung.